Marokkos Spieler feiern ihren Torwart Bono nach dem Sieg im Elfmeterschießen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Robert Michael/dpa)

Marokkos Elfmeter-Held lag nur noch auf dem Rasen und weinte. Der Torwart Bono spielt im Hauptberuf beim spanischen Club FC Sevilla, doch bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar warf er mit der marokkanischen Nationalmannschaft seine Wahlheimat aus dem Turnier.

Nach einem 3:0 im Elfmeterschießen steht das große Überraschungsteam nun bereits im Viertelfinale dieser WM. Der 31 Jahre alte Bono hielt dabei vor 44.667 Zuschauern im Education-City-Stadion von Doha die Schüsse von Carlos Soler und Sergio Busquets. Pablo Sarabia hatte gleich zu Beginn nur den Pfosten getroffen – wie kurz zuvor schon in den Schlusssekunden der Verlängerung.

«Das war eine marokkanische Wand

Der ehemalige Weltmeister Spanien schaffte es dadurch nicht, in 120 hochspannenden, aber torlosen Minuten plus dem folgenden Elfmeterschießen auch nur einen Treffer gegen die Marokkaner zu schießen. Schon im WM-Achtelfinale 2018 (gegen Russland) und im EM-Halbfinale 2021 (gegen Italien) waren die Spanier jeweils im Elfmeterschießen gescheitert. Bei Weltmeisterschaften war es für die Spanier bereits die vierte Niederlage in einem Elfmeterschießen. So nervenschwach war noch keine andere Nation. Zudem vergab Spanien erst als zweites Team bei einer WM alle Versuche in einem Elfmeterschießen. Das war zuvor nur der Schweiz 2006 gegen die Ukraine bei der WM in Deutschland passiert.

«Es war wirklich grausam, wie wir verloren haben. Wirklich grausam», sagte Spaniens Routinier Busquets. «Das war eine marokkanische Wand. Wir haben die Lücke gesucht, aber nicht gefunden. Wir hatten einfach Pech.» Spanien hatte schon mit der 1:2-Niederlage im letzten Gruppenspiel Zweifel genährt, ob es wirklich zu den ganz Großen dieses Turniers gehören wird.

«Ich denke, die Menschen zu Hause bei uns sind sehr glücklich. Ein historischer Sieg», sagte Marokkos Angreifer Walid Cheddira. Marokko ist erst das vierte afrikanische Land, das es bei einer Weltmeisterschaft unter die besten acht Teams geschafft hat: Das gelang vorher nur Ghana 2010, Senegal 2002 und Kamerun 1990. In der Vorrunde dieses Turniers hatte das Team des Bayern-Profis Noussair Mazraoui und des ehemaligen deutschen U21-Nationalspielers Abdelhamid Sabiri bereits den WM-Zweiten Kroatien und den WM-Dritten Belgien hinter sich gelassen.

La Roja suchte lange vergeblich Lücken

Die Spanier spielten in ihren hellblauen Ausweichtrikots gegen eine lautstarke marokkanische Mehrheit auf den Rängen an, die die Iberer gnadenlos auspfiff. Marokko zog sich weit zurück mit einer dichten Fünfer-Reihe im Mittelfeld vor der Vierer-Abwehrkette. Ein umstrittener Freistoß, getreten vom Ex-Dortmunder Achraf Hakimi knapp über die Latte, war die erste nennenswerte Offensiv-Aktion.

Vor der Pause suchte La Roja lange vergeblich Lücken in der Defensive der Nordafrikaner. Die Jungstars Gavi und Pedri taten sich im offensiven Mittelfeld schwer. Nur Asensio mit einem Schuss ans Außennetz erschreckte die Marokkaner.

Gavi setzte aber unabhängig vom Spielverlauf eine bemerkenswerte Marke: Das Supertalent vom FC Barcelona ist nun der jüngste Startelf-Spieler in einem K.o.-Duell bei einer WM seit Pelé 1958. Der legendäre Brasilianer war damals, als seine Mannschaft 5:2 gegen Gastgeber Schweden gewann, 17 Jahre und 249 Tage alt. Gavi lief nun mit 18 Jahren und 123 Tagen auf. Gleichzeitig zog der 34 Jahre alte Kapitän Busquets mit seinem 17. WM-Spiel für Spanien mit Iker Casillas und Sergio Ramos gleich.

Die Marokkaner setzten die Akzente

Zunehmend mutiger setzten die Marokkaner die Akzente: Außenverteidiger Noussair Mazraoui vom FC Bayern mit einem scharfen Schuss und Nayef Aguerd mit einem Kopfball sorgten für Gefahr für das Tor von Unai Simon. Auch nach der Pause tat das Team von Trainer Walid Regragui enorm viel dafür, dass die sechste WM-Teilnahme ihres Landes an diesem Abend nicht zu Ende geht.

Spaniens Chefcoach Luis Enrique verzog derweil an der Seitenlinie ein ums andere Mal das Gesicht, weil die Angriffe des EM-Halbfinalisten von 2021 stockten. Bei einem indirekten Freistoß aus spitzem Winkel musste Marokkos Torhüter Bono dann die Fäuste hochreißen, als Olmo abzog. Alvaro Morata kam dann mit der Empfehlung von drei WM-Toren in Katar als frische Sturmspitze für den ausgelaugten Gavi.

Den Marokkanern schwanden zwar die Kräfte und in der Schlussphase der regulären Spielzeit brach die halbe Abwehr weg: Der Münchner Mazraoui und West-Ham-Profi Nayef Aguerd konnten nicht mehr weiterspielen. Doch sie kämpften weiter aufopferungsvoll und hatten Glück, dass der Spanier Sarabia in der Nachspielzeit der Verlängerung nur den Pfosten traf. Im Elfmeterschießen scheiterten die Spanier dann an ihren Nerven.

Ulrike John, Sebastian Stiekel und Lars Reinefeld, dpa
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