Herthas Trainer Sandro Schwarz steht während der Partie mit gesenktem Kopf an der Seitenlinie. (Urheber/Quelle/Verbreiter: David Inderlied/dpa)

Als die Trainingsgruppe um die Profis Maxi Mittelstädt und Marvin Plattenhardt in Sichtweite eines Polizeiwagens vom Dauerlauf im kalten Nieselregen zurückkehrte, war die Zukunft von Hertha-Trainer Sandro Schwarz möglicherweise schon besiegelt.

Gut zwei Dutzend Fans harrten auf dem Berliner Olympiagelände aus, obwohl das öffentliche Training Stunden zuvor abgesagt worden war. Zu spekulieren und zu diskutieren gab es beim neuen Bundesliga-Schlusslicht und ewigen Krisenclub mal wieder genug. Zumal Schwarz dann auch noch bei seiner Abfahrt von dem Areal gesichtet wurde.

Der von den Club-Chefs neuerdings beschworene «Hertha-Weg» dürfte wohl ohne Schwarz weitergehen. Auch wenn die gepredigte und aus ökonomischer Sicht notwendige personelle Kontinuität damit schon wieder hinüber wäre. Das desaströse 2:5 bei Schalke 04 war schnell als riesige Hypothek erkannt. Bundesliga-untauglich. Diesen Stempel hatten sich die Hertha-Profis bei ihrem desolaten Auftritt im Revier selbst verpasst. Platz 18 am 28. Spieltag diente als Beleg.

Weber: «Ein ‚Weiter so‘ wird es nicht geben»

Bereits kurz nach dem sportlichen Desaster hatte Schwarz seine Situation realistisch eingeordnet. Wie groß seine Sorge vor persönlichen Job-Konsequenzen sei, wurde der 44-Jährige noch in den Katakomben der Schalker Arena gefragt. «Was das betrifft, habe ich keine Sorge», sagte Schwarz. «Das ist legitim, das ist auch die Verantwortung des Clubs, dass er sich darüber Gedanken macht.» Eine sonst übliche Mediengesprächsrunde am Vormittag nach dem Spiel mit Schwarz gab es nicht mehr.

Sportdirektor Benjamin Weber hatte angekündigt, «jeden Stein» umzudrehen. «Ein «Weiter so» wird es nicht geben», sagte der 43-Jährige. Das zuvor immer wieder geäußerte Vertrauen in Schwarz sprach Weber nicht mehr aus. Ein klares Bekenntnis zum Trainer vermied er.

Doch wie geht es weiter, wenn Schwarz wirklich sechs Spieltage vor Saisonende beurlaubt wird? «Der Pal war doch neulich auf der Ehrentribüne», sagte eine der vielen Ordnungskräfte auf dem Trainingsareal in den orangefarbenen Warnwesten am Samstag. «Der Pal», das ist Pal Dardai. Hertha-Rekordspieler und Sinnbild für die alten Zeiten beim Hauptstadt-Club. Solide, aber auch ein bisschen bieder. Aber eben aus einer Zeit vor dem Glitzerwahn um Investor Lars Windhorst, der auch schon wieder Hertha-Geschichte ist.

Ob Dardai angesichts der letzten demütigenden Trennung im November 2021 zum dritten Mal als Trainer einspringen würde, war auch eines der Fan-Themen am Trainingsplatz. Immerhin ist Intimfeind Fredi Bobic als Geschäftsführer nicht mehr in Amt und Würden.

Für eine andere, sicher kostspieligere Trainernotlösung gibt es angesichts der auch finanziell prekären Lage jedenfalls nicht viel Spielraum. Entscheidend wird auch sein, welchen Einfluss der neue Investor 777 Partners nimmt. Die avisierten 100 Millionen Euro Finanzmittel sind schon zur unvermeidbaren Schuldentilgung eingeplant.

Magath rettete die Alte Dame in der Relegation

In der Vorsaison hatte Felix Magath für den Saisonendspurt übernommen und die Berliner letztlich in der Relegation gegen den Hamburger SV (0:1/2:0) gerade noch vor dem Sturz in die Zweitklassigkeit bewahrt. Anschließend war Schwarz als Chefcoach verpflichtet worden.

Nicht nur die Höhe, auch die Art und Weise der Niederlage schockierte die Hertha am Freitagabend. «Natürlich ist es auch ein Stück weit so, dass der Trainer die ärmste Sau in dem Augenblick ist, wenn man das Defensiverhalten sieht», sagte Weber. Von seinem Team im Stich gelassen fühlte sich Schwarz nach eigenen Angaben nicht. Die Verantwortung für den ganz bitteren Auftritt nahm er auf sich und sagte zudem: «Ich weiß, was wir im Trainerteam investieren jeden Tag. Was wir an Arbeit abliefern und leider siehst du es nicht am Ergebnis. Das ist frustrierend.»

Unverständlich war vor allem: Die ganze Woche war vom Abstiegskrimi und der dafür notwendigen Einsatzbereitschaft gesprochen worden. Und dann passte das Verhalten der Spieler auf dem Platz so gar nicht dazu. «In den Zweikämpfen waren wir überhaupt nicht da», stellte Ex-Nationalspieler Plattenhardt fest. «So eine Leistung können wir auf keinen Fall mehr bringen.»

Der Kapitän forderte: «Wir müssen jetzt gemeinsam durchhalten, müssen die Sachen anpacken und nächste Woche auf jeden Fall gewinnen.» Ob das «gemeinsam» dann auch für Schwarz gilt und er im Heimspiel gegen Werder Bremen noch auf der Bank sitzt, darf bezweifelt werden.

Arne Richter und Thomas Eßer, dpa
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