Kann gegen Hertha personell aus dem Vollen schöpfen: Schalke-Coach Thomas Reis. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Uwe Anspach/dpa)

Liebhaber der hohen Fußball-Kunst dürften sich den Freitagabend wohl eher nicht im Kalender markiert haben.

Beim Duell von Schlusslicht FC Schalke 04 mit dem Tabellenvorletzten Hertha BSC (20.30 Uhr/DAZN) erwarten die Fans stattdessen harte Zweikämpfe und eine hitzige Atmosphäre.

Hertha-Routinier Kevin-Prince Boateng denkt sogar an einen Platzverweis. Im für beide Teams extrem wichtigen Kräftemessen steht Abstiegskampf pur auf dem Programm. Wer verliert, ist zwar noch nicht weg, geht aber mit den schlechtesten Aussichten in den Saisonendspurt. Das wissen auch die Trainer.

Punkte vor Schönheit

«Ob es fußballerisch immer schön sein wird, sei mal dahingestellt», sagte Schalke-Coach Thomas Reis vielsagend und ergänzte: «Wichtig ist ein erfolgreiches Spiel.» Der 49-Jährige mag solche Partien und eigentlich liegen sie seiner technisch limitierten, aber leidenschaftlichen Mannschaft auch. Umso unverständlicher war für Reis daher der schwache Auftritt der Schalker am vergangenen Wochenende beim 0:2 bei Abstiegs-Konkurrent Hoffenheim – der zweiten Niederlage nacheinander.

Bei der Vorbereitung auf die Partie gegen Hertha setzte er bewusst auf Selbstreinigungskräfte im Team. Nach der Videoanalyse ließ der Coach die Mannschaft bewusst eine Weile allein. «Es geht darum, dass man gemeinsam Lösungen findet und sich vielleicht auch mal ein bisschen was an den Kopf wirft», erklärte er die Maßnahme.

Acht Bundesliga-Spiele ohne Niederlage zu Rückrunden-Beginn hatten bei den zwischenzeitlich eigentlich schon abgeschlagenen Gelsenkirchenern die Hoffnung auf den Klassenerhalt zurückgebracht. Verliert Schalke nun auch gegen Hertha, könnte die Stimmung wieder kippen.

Reis: Kein Finale

Reis will zwar nicht von einem «Finale» sprechen. Er weiß aber auch: Als Tabellenletzter mit weiter vergrößertem Rückstand auf die rettenden Ränge in den Saison-Endspurt zu gehen, würde die Mission Klassenerhalt fast unmöglich machen. Schalke hat ein schweres Restprogramm und spielt unter anderem noch bei den Spitzenteams FC Bayern München, RB Leipzig und SC Freiburg.

Sowohl die Königsblauen als auch die Hertha würden mit einem Sieg zumindest für eine Nacht auf den Relegationsplatz springen. Eine «zusätzliche Motivation», wie Reis betonte. Mit seinem Berliner Kollegen Sandro Schwarz verbindet den Coach aber nicht nur die Chance, in der Tabelle zu klettern.

Trotz der prekären Lage ihrer Clubs können beide verhältnismäßig ruhig arbeiten und haben aktuell eine Art Job-Garantie. Schalke will mit Reis, der mit seiner Malocher-Mentalität gut zum Ruhrgebiets-Club passt, im Falle eines Abstiegs auch eine Liga weiter unten weitermachen. Auch Schwarz‘ Stelle steht trotz zuletzt fünf Spielen ohne Sieg in der Hauptstadt derzeit nicht zur Diskussion.

Wie Reis erwartet auch der 44-Jährige ein Kampfspiel – auch wenn er sich dabei moderater ausdrückt als sein Anführer auf dem Platz. Bei den Ausführungen von Boateng, nach dessen Meinung eine Rote Karte im Abstiegskampf auch mal in Kauf zu nehmen sei, ging Schwarz nicht ganz mit.

«Ich weiß, wie Prince das gemeint hat», sagte der Coach. Boateng hatte vor der Partie bei seinem Ex-Club gesagt: «Wir sind im Abstiegskampf, wir sind nicht hier, um schön zu spielen oder den Fuß wegzuziehen. Wenn das nah an der Roten Karte ist, dann ist das so. Wir sind hier, um zu kämpfen.»

Reis nahm die Ansage mit Humor. «Wenn Berlin eine Rote Karte bekommt, ist mir das natürlich wesentlich lieber als wir», sagte der Schalke-Coach und lächelte. Aber: «Wir wollen natürlich auch hart spielen.» Für Liebhaber der Fußball-Kunst waren diese Woche halt eher die Viertelfinals der Champions League da.

Thomas Eßer und Arne Richter, dpa
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