Hofft auf ein EM-Ticket für Luxemburg: Jeff Strasser. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Uwe Anspach/dpa)

Jeff Strasser weiß noch genau, wie es zu den schlimmsten Zeiten in Luxemburgs Fußball aussah. Niederlagen gegen Färöer und Liechtenstein, ein Kalenderjahr ohne eigenes Tor und ein Team, in dem er als Bundesliga-Spieler schon herausstach, weil der Rest vorwiegend aus Studenten und Angestellten mit Fußball als Hobby bestand. «Es gab eine Zeit, da war ich der einzige Legionär. Es war nicht immer einfach, diese Spiele zu bestreiten. Es gab viele Niederlagen», erzählte der 49-Jährige, der im Nationalteam aus Mangel an Alternativen schon mal als Spielmacher eingesetzt wurde.

Im Frühjahr 2024 ist die Perspektive eine ganz andere. Zwei Siege trennen das Großherzogtum noch von der erstmaligen EM-Teilnahme. Wird am Donnerstag (18.00 Uhr/DAZN) in Georgien sowie am Dienstag zu Hause gegen Griechenland oder Kasachstan gewonnen, darf das Team von Luc Holtz nach Deutschland reisen – und in der gleichen Vorrundengruppe wie Portugals Superstar Cristiano Ronaldo antreten. Spiele auf ganz großer EM-Bühne in Dortmund und Gelsenkirchen sind so nah wie nie.

Qualifikation «vergolden»

Eine Sensation wäre das nicht mehr. «Man könnte es vergleichen mit einer Teilnahme von Island. Eine Nation mit einer kleinen Bevölkerung, die es fertiggebracht hat, eine strukturierte und funktionierende Mannschaft zu entwickeln», sagte Strasser der Deutschen Presse-Agentur. Gegen den EM-Viertelfinalisten und WM-Teilnehmer Island gab es 2023 in der EM-Qualifikation bereits einen eindrucksvollen Sieg. Luxemburg ließ Island und Bosnien-Herzegowina in einer Qualifikationsgruppe hinter sich.

Das scheint auch gegen Georgien möglich. «Sie sollen einfach versuchen, das zu vergolden. Die Mannschaft, die etwas zu verlieren hat, ist Georgien», stellte Strasser fest. Dass Neapel-Star Chwitscha Kwarazchelia, der alleine zweieinhalbmal so viel wert ist wie das gesamte Nationalteam Luxemburgs, bei Georgien gesperrt fehlt, könnte dem Außenseiter beim Duell in Tiflis zusätzlich helfen. «Wenn man so nah dran ist, will man auch zur EM. Wir sind davon überzeugt, das Unmögliche möglich zu machen und sportliche Geschichte zu schreiben», sagte Chefcoach Holtz.

Präsident dient Luxemburgs Fußball seit über 50 Jahren

Luxemburg hat zwar nur gut 600.000 Einwohner und ist flächenmäßig so klein wie das Saarland. Der Aufstieg in fußballerischer Hinsicht ist aber kein Zufall. Der Verband eröffnete 2001 eine nationale Akademie und hat seine Ausbildung in der Folge stark professionalisiert. Heute wäre Strasser als Legionär nicht mehr die Ausnahme, sondern der Regelfall. Leandro Barreiro (FSV Mainz 05) und Christopher Martins Pereira (Spartak Moskau) sind die Aushängeschilder des Teams, bei dem keine Stammkraft mehr in Luxemburgs Liga aktiv ist.

Gesicht des Aufstiegs ist zum einen Nationaltrainer Holtz, der das Team seit 2010 betreut und sukzessive nach oben geführt hat. Zudem aber auch Verbandspräsident Paul Philipp, der seit über 50 Jahren ununterbrochen Luxemburgs Fußball dient: Erst als Nationalspieler, anschließend als Nationaltrainer und nun seit 2004 als Verbandspräsident. 

Der Aufstieg bietet nicht nur Chancen, wie Präsident Philipp jüngst verdeutlichte. «Wir müssen den Menschen zu Hause klarmachen, dass wir nicht in dem Tempo wachsen können, wie es in den letzten sechs Jahren der Fall war. Wir sind ein Dorf, wir werden niemals Weltmeister werden. Wir sind klein und werden immer klein sein.»

Strasser kann nur teilweise zusehen

Die Nationalspieler sind zwar inzwischen Profis und spielen in anderen europäischen Ländern. Doch dass die Qualität seine Grenzen hat, zeigt auch der Umstand, dass in Laurent Jans von Waldhof Mannheim ein deutscher Drittliga-Profi Kapitän und unumstrittener Führungsspieler ist. Mit Blick auf die einmalige EM-Chance sagte Jans dem «Mannheimer Morgen»: «Natürlich ist das für uns etwas ganz Großes – als Nationalmannschaft, als Land, auch für mich persönlich.»

Ex-Profi Strasser – 98 Länderspiele, sieben Tore, drei Siege – wird die Partie in Georgien nur teilweise verfolgen können. Die erste Halbzeit werde er sich anschauen, erzählte der frühere Profi des 1. FC Kaiserslautern und Borussia Mönchengladbach. Danach sei er aber als Coach auf dem Rasen gefordert. Strasser trainiert Luxemburgs Erstligist FC Progrès Niederkorn.

Patrick Reichardt, dpa
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