Oliver Kahn (r) übernimmt beim FC Bayern das Amt des Vorstandsvorsitzenden von Karl-Heinz Rummenigge. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Andreas Gebert/dpa)

Zum Abschied versuchte es Karl-Heinz Rummenigge mal mit bayerisch. «Mia bleim mia», sagte der 65-Jährige, dessen so erfolgreiche Ära als Vorstandschef beim FC Bayern München ein halbes Jahr früher als geplant am 30. Juni zu Ende geht.

Auch wenn sich Rummenigge die Bayern-DNA erst im Laufe der Zeit aneignen musste, prägte der gebürtige Westfale wie kaum ein anderer den stolzen Club. Als Spieler reifte Rummenigge in München zu einem Weltstar, sein Wechsel für zehn Millionen Mark zu Inter Mailand machte den Verein mit einem Schlag schuldenfrei. Und wenn er nun den Stab an Oliver Kahn übergibt, hinterlässt er eine Weltmarke mit über 600 Millionen Euro Jahresumsatz.

Zäsur beim Rekordmeister

Beim FC Bayern steht im Sommer eine große Zäsur bevor. Gut zwei Jahre nach dem Abschied von Patron Uli Hoeneß als Club-Präsident löst Rummenigge seinen Vertrag als Vorstandsvorsitzender der Münchner schon zum 30. Juni 2021 auf. Den Posten übernimmt Kahn, der eigentlich zum 1. Januar 2022 an die Clubspitze rücken sollte. Das bestätigte der FC Bayern. Zuvor hatten «Bild», «Sport Bild», «Welt» und «Kicker» darüber berichtet.

«Es ist ein Abschied mit Zufriedenheit und Stolz, ich darf einen sportlich, wirtschaftlich und strukturell vollständig intakten Club übergeben. Das war mir wichtig», sagte Rummenigge. Es sei der «strategisch sinnvollste und logische Zeitpunkt.» Rummenigge verwies darauf, dass nicht nur das Geschäftsjahr ende, sondern auch ein neuer Abschnitt mit einem neuen Trainergespann beginne. Schließlich tritt Julian Nagelsmann (33) im Sommer die Nachfolge des zukünftigen Bundestrainers Hansi Flick (56) an.

Titel-Flut unter Rummenigge

In den fast 20 Jahren unter Rummenigges Führung – im Februar 2002 wurde er im Zuge der AG-Umwandlung zum Vorstandsvorsitzenden ernannt – erlebten die Bayern die sportlich und wirtschaftlich erfolgreichste Zeit ihrer Vereinsgeschichte. Höhepunkte waren die Triple-Jahre (Champions League, Meisterschaft und DFB-Pokal) unter den Trainern Jupp Heynckes (2013) und Flick (2020). Seit 2013 haben die Münchner auch jedes Jahr den Meistertitel geholt.

Einen Platz im Aufsichtsrat strebt Rummenigge, der zwischen 1974 und 1984 insgesamt 310 Bundesliga-Spiele (162 Tore) für die Münchner bestritt und dabei zweimal den Europapokal der Landesmeister (1975/76) sowie den Weltpokal (1976) gewann, offenbar nicht an.

Lobende Worte

«Karl-Heinz Rummenigge hat den FC Bayern maßgeblich geprägt, bereits als Stürmer, aber vor allem nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn, zunächst als Vizepräsident und von 2002 an als Vorstandsvorsitzender. Zusammen mit Uli Hoeneß formte er den FC Bayern zu einer der besten Adressen im internationalen Spitzenfußball – sportlich wie wirtschaftlich», würdigte Präsident Herbert Hainer (66) die Verdienste des langjährigen Chefs.

Hoeneß hatte sich 2019 aus der ersten Reihe zurückgezogen, auch wenn der 69-Jährige weiter im Aufsichtsrat mitmischt. Nun geht das andere Alphatier, das den Club über Jahrzehnte geprägt hat und vor allem während Hoeneß‘ Gefängnisstrafe von 2014 bis 2016 souverän führte. Rummenigge und Hoeneß – dieses Duo hatte den FC Bayern zur unangefochtenen Nummer eins in Deutschland und einem florierenden Wirtschaftsunternehmen gemacht.

Kahn übernimmt Verantwortung beim FC Bayern

Rummenigge hatte dabei das Fußball-Business rational und nicht aus der Emotion heraus betrieben. Seriös ist ein Wort, das er gerne gebraucht. Dazu passt ein klarer Schnitt. Sein Credo lautet: «Ich gehöre nicht zu den Menschen, die sich für unersetzlich halten. Es ist Teil des Lebens, dass man irgendwann loslassen muss und den Nachfolgern Vertrauen schenkt.» Genauso konsequent ist nun, dass er die Geschäfte an Kahn bereits ein halbes Jahr früher übergibt.

«Karl-Heinz Rummenigge hat als Vorstandsvorsitzender mehr als 20 Jahre großartige Arbeit für den FC Bayern geleistet. In dieser Zeit hat der Verein alles gewonnen, was es zu gewinnen gab, seine Verdienste um den FC Bayern kann man gar nicht hoch genug bewerten», sagte Nachfolger Kahn (51). «Nun ist für mich die Zeit gekommen, die Verantwortung an der Spitze der FC Bayern München AG zu übernehmen. Ich habe in den vergangenen 18 Monaten alle Facetten des Vereins kennengelernt und weiß sehr genau, wie der FC Bayern funktioniert und welche Herausforderungen auf uns zukommen.»

Rückkehr in die Exekutive der UEFA

Es sind große Fußstapfen, in die Kahn tritt. Dazu kommen die Auswirkungen der Corona-Krise, die den ganzen Fußball voll erwischt hat. «Dem FC Bayern wünsche ich von Herzen größtmöglichen Erfolg, weiterhin intakte Werte und ein unerschütterliches Wir-Gefühl», sagte Rummenigge, der offenbar loslassen kann. Als «Knecht des Terminplans» hatte er sich einmal beschrieben. Diese Zeit ist nun bald vorbei.

Zuletzt hatte sich Rekordnationalspieler Lothar Matthäus für Rummenigge als neuen DFB-Boss stark gemacht. Ein Posten, den der Vize-Weltmeister von 1982 und 1986 in der Vergangenheit aber ausgeschlossen hat. Rummenigge kehrte zuletzt im Zuge der Krise nach dem Wirbel um die Super League aber überraschend als Clubvertreter in die Exekutive der Europäischen Fußball-Union (UEFA) zurück.

Effenberg: «Größter Umbruch aller Zeiten»

Stefan Effenberg sieht in dem vorzeitigen Abschied von Karl-Heinz Rummenigge auch ein Risiko für den deutschen Fußball-Rekordmeister. «Er hätte noch abwarten und verfolgen können, wie die Mannschaft mit Julian Nagelsmann in die Vorbereitung und die Saison kommt, wie sie sich in der Vorrunde der Champions League schlägt, um dann im Winter zu gehen», schrieb der frühere Bayern-Kapitän in seiner Kolumne bei «t-online.de».

Nun stünden Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidzic komplett in der Verantwortung und auch unter einem enormen Druck, glaubt Effenberg. «Der Anspruch ist, dass sie kein Stück weniger erfolgreich sind als ihre Vorgänger in der Vergangenheit – und alles im Griff haben wie Rummenigge und Hoeneß. Dabei stehen sie vor Mega-Herausforderungen», meinte der 52-Jährige. Der Verein steht seiner Ansicht nach «mitten in dem vielleicht größten Umbruch aller Zeiten».

Von Stefan Tabeling und Klaus Bergmann, dpa
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