Übergibt das Bundestrainer-Amt an Hansi Flick (r): Joachim Löw. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Federico Gambarini/dpa)

Wer bleibt? Wer geht? Wer übernimmt eine Führungsrolle im neuen Fußball-Nationalteam?

Fest steht nach dem letzten Turnier unter Bundestrainer Joachim Löw: Nachfolger Hansi Flick braucht bei seiner Personalauswahl keine Rücksichten auf Befindlichkeiten zu nehmen. Denn in den vier Turnierspielen bei dieser EM konnten sich nur wenige Spieler wirklich nachdrücklich als unverzichtbarer Bestandteil für den Neuaufbau aufdrängen.

Löw: «Mannschaft muss noch reifen»

«Die Mannschaft muss noch ein Stück reifen, um als Mannschaft erwachsen zu sein», urteilte Löw in der Stunde des Abschieds. «Natürlich wird es Veränderungen geben», sagte der 61-Jährige. Er sieht aber für sein gescheitertes Team durchaus gute Perspektiven. «Wir haben eine Reihe junger Spieler, die in den nächsten zwei, drei Jahren nochmal einen großen Schritt nach vorne machen werden.»

Schon diese EM hat den 22 Jahre jungen Kai Havertz in eine neue Position im DFB-Ensemble gebracht. Nach dem Champions-League-Sieg mit dem FC Chelsea, bei dem er im Finale gegen Manchester City das Siegtor erzielt hatte, eroberte der Ex-Leverkusener einen Stammplatz. Havertz erzielte zwei Turniertore und war auch beim K.o. gegen England der Beste. Turnierneuling Robin Gosens von Atalanta Bergamo konnte vor allem beim 4:2 gegen Portugal überzeugen. Der 26-Jährige ist sportlich und auch als Typ eine Bereicherung.

Grundgerüst steht

Das Grundgerüst mit viel Potenzial gerade in der Offensive steht für die kommenden Aufgaben. Allerdings gelang es Serge Gnabry und vor allem dessen Bayern-Kollege Leroy Sané nicht, dieses auch auf den Rasen zu bringen. Der erst 18 Jahre alte Jamal Musiala deutete in seinen wenigen Minuten Einsatzzeit beim 2:2 gegen Ungarn an, dass er bei Flick zu einem Mann der Zukunft werden kann. Timo Werner stagniert nach einem schwierigen Jahr beim FC Chelsea. Kevin Volland vom AS Monaco konnte seine Rückkehrer-Chance nicht nutzen.

Die neuen möglichen Chefs kristallisierten sich schon heraus. «Goretzka und Kimmich sind jetzt schon Leader in der Mannschaft, weil sie mit ihrem unbändigen Willen vorangehen», sagte Löw: «Beide sind in der Lage, die Mannschaft in den nächsten Jahren zu führen und den jungen Spielern Halt zu geben.» Leon Goretzka kam nach seinem Muskelfaserriss spät ins Team, ging sofort voran. Joshua Kimmich musste nach rechts ausweichen. Doch nur in der Mittelfeld-Zentrale kann der 26-Jährige seine Stärken als Anführer wirklich einbringen.

Was passiert mit 2014-Weltmeistern?

Die Routiniers Toni Kroos (31 Jahre/106 Länderspiele), Mats Hummels (32/76) und Thomas Müller (31/106) konnten wie schon bei der WM-Blamage 2018 das Gefüge in kritischen Phasen nicht stabilisieren. Bei ihnen muss der bisherige Bayern-Coach Flick herausfinden: Kann er sie für die nächste WM schon im kommenden Jahr nochmals besser machen? Oder ist für sie Schluss? Oder treten sie selbst zurück? Ilkay Gündogan konnte auch bei dieser EM seine starken Leistungen bei Manchester City nicht auf ins Nationaltrikot übertragen.

Mit vielen der Defensivspieler aus Löws Kader wird Flick weitermachen, auch wenn keiner restlos überzeugen konnte. Der Gladbacher Matthias Ginter ist eine solide Größe. Der Münchner Niklas Süle sucht noch immer das Top-Niveau, dass er vor dem Kreuzbandriss offenbarte. Bei Antonio Rüdiger vom FC Chelsea wechselten starke Szenen mit Fehlern. Robin Koch von Leeds United und Christian Günter vom SC Freiburg fehlt die internationale Klasse. Dortmunds Emre Can und Leipzigs Marcel Halstenberg waren nur Ergänzungsspieler.

Lukas Klostermann und Jonas Hofmann, die sich mit Verletzungen ohne Einsätze durchs Turnier schleppten, sind nicht zu bewerten. Florian Neuhaus von Borussia Mönchengladbach wird sicher bei Flick eine neue Chance bekommen. Bleiben die Torhüter: Die Nummer eins, Manuel Neuer (35/104), macht bestimmt weiter. Alle anderen müssen warten.

Von Jens Mende und Klaus Bergmann, dpa
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