Die englischen Spieler bejubeln die Führung. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Martin Rickett/PA Wire/dpa)

Bei ihrer Ehrenrunde über den Wembley-Rasen genossen Englands Fußballer noch einmal den so lange vermissten Jubel der eigenen Fans.

«Football’s coming home» dröhnte durch die Boxen der altehrwürdigen Arena, als Kapitän Harry Kane, Rekordmann Jude Bellingham und Co. sich von den mehr als 20.000 Zuschauern für einen gelungenen EM-Auftakt feiern ließen. Mit dem 1:0 (0:0)-Sieg gegen Vize-Weltmeister Kroatien haben die Three Lions ihre Anhänger gleich zum Start von einem großen Sommer träumen lassen. «Das ist noch ein harter Weg, aber wir haben gut begonnen», sagte Superstar Kane.

BVB-Profi «historisch»

Raheem Sterling (57. Minute) erzielte den erlösenden Treffer, der den Fußball-Tempel im Nordwesten Londons trotz vergleichsweise geringer Auslastung für einige Sekunden zum Beben brachte. Der in der 82. Minute für Kane eingewechselte Dortmunder Bundesliga-Profi Bellingham stellte im Alter von 17 Jahren und 349 Tagen einen Rekord auf als jüngster Spieler der EM-Historie. «Historisch», twitterte der BVB.

Der Auftakterfolg könnte auch ein kleiner Schritt auf dem Weg zur Versöhnung mit einem Teil der eigenen Anhänger sein. Einige von ihnen hatten die Mannschaft auch kurz vor dem EM-Start für eine Anti-Rassismus-Geste ausgebuht. Als Captain Kane und seine Mitspieler vor dem Anpfiff mit einem Knie auf den Boden gingen, bekundeten erneut einige Zuschauer ihren Unmut, der allerdings im lautstarken Beifall des Rests so gut wie unterging.

Auch vor dem zweiten Vorrundenmatch am Freitag gegen Schottland wollen die Three Lions wieder niederknien. Kroatien spielt ebenfalls Freitag gegen Tschechien und steht dann schon unter Druck. «Wir haben ein Tor nach einem Fehler kassiert, und das macht mich wütend», sagte Coach Zlatko Dalic. «So sollten wir in der Abwehr nicht agieren.»

Supertalent Foden im Pech

Das erste Topspiel dieser Europameisterschaft hielt über weite Strecken nicht, was sich viele Fans erhofft haben dürften. Nach einer stimmungsvollen Begrüßung durch die eigenen Anhänger schienen die Three Lions den Vize-Weltmeister zwar in der Anfangsphase zu überrollen. Doch nach einem Pfostentreffer von Supertalent Phil Foden (6.) und einem Volley von Mittelfeldspieler Kalvin Phillips (9.) bauten sie genauso schnell wieder ab. «Mir haben viele Dinge gefallen, aber es gibt immer noch einiges, was wir verbessern können», sagte England-Trainer Gareth Southgate.

Der 50-Jährige verzichtete beim EM-Auftakt etwas überraschend auf Borussia Dortmunds Flügelstürmer Jadon Sancho, der es nicht mal in den Spieltagskader geschafft hatte. Kapitän Harry Kane wurde im Angriff stattdessen von Sterling und Foden flankiert, die den 27-Jährigen jedoch kaum in Szene setzen konnten. Weil auch Kroatiens Offensivtrio um den Hoffenheimer Andrej Kramaric kaum in Erscheinung trat, entwickelte sich in Wembley eine zähe Partie.

Hohe Erwartungshaltung bei den Three Lions

Bei der Neuauflage des WM-Halbfinals von 2018 dirigierte erneut Kroatiens Superstar Luka Modric das Spiel der Gäste. Fast alles lief über den mittlerweile 35-Jährigen, den die Engländer kaum unter Kontrolle bekamen. Gleichzeitig leisteten sich die Three Lions unerwartet viele Fehler im Spielaufbau. Manchester Citys Rechtsverteidiger Kyle Walker unterliefen im ersten Durchgang mehrere Fehlpässe.

Bis zu sechs Heimspiele inklusive Finale könnten die Engländer in Wembley bestreiten. Alles andere als mindestens das Halbfinale wäre daher eine Enttäuschung, wie auch Southgate vor dem Turnier zugegeben hatte. Diese Erwartungshaltung schien sein Team zunächst zu erdrücken – bis Sterling für die Erlösung sorgte.

Nach einem feinen Schnittstellenpass von Mittelfeldspieler Phillips kam Sterling frei vor Kroatiens Keeper Livakovic an den Ball und versenkte ihn zur Führung. Ganz Wembley atmete in diesem Moment auf – nach der Stille der Corona-Monate machte der lautstarke Jubel des Großteils der mehr als 20.000 Zuschauer mächtig Eindruck.

Von Kroatien kam dagegen kaum etwas. Modric (55.) probierte es kurz darauf aus der Distanz, sein Flachschuss stellte aber kein Problem für Englands Torhüter Jordan Pickford dar. Aber auch die Engländer trieb die eigene Führung nicht zur Bestleistung an. Es blieb zäh in London. Ein Freistoß von Mason Mount (67.) ging knapp über das Tor.

Von Nils Bastek und Wolfgang Müller, dpa
Folge uns

Von