Die deutschen U17-Fußballer siegten im WM-Finale im Elfmeterschießen gegen Frankreich. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Achmad Ibrahim/AP)

In der rauschenden Weltmeister-Nacht mit Ausklang am Pool bei Vulkan-Panoramablick lauschten die euphorisierten U17-Helden stolz den Lobesreden.

Im Kreise von Eltern und Freunden der Nachwuchsnationalspieler rühmten DFB-Verantwortliche und Trainer beim Gala-Dinner nach Mitternacht eine außergewöhnliche Fußball-Generation. Schon jetzt werden Elfmeterheld Konstantin Heide, dem besten Turnier-Spieler Paris Brunner und deren Teenager-Kollegen große Karrieren prophezeit.

Auch wenn der Weg zu Profi-Glanz nach dem 4:3-Triumph im Elfmeterschießen gegen Frankreich noch weit ist: Die beim begeisternden deutschen Sommermärchen 2006 geborenen Talente sind nach ihrem eigenen WM-Wintermärchen vielversprechende Hoffnungsträger auf neue Erfolge in tristen Nationalmannschaftszeiten.

U17-Weltmeister stillen Sehnsucht

«Danach habe sich ganz viele Deutsche gesehnt, wieder eine Mannschaft zu haben, die die deutschen Tugenden verkörpert, mit denen sich die Deutschen identifizieren», sagte Weltmeister-Trainer Christian Wück nach dem letzten Spiel mit dieser Auswahl. Individuelle Ausnahmerkönner verzückten nicht nur mit Attributen wie Kampf und Leidenschaft, sondern erweckten auch den fast schon vergessenen Mythos einer deutschen Turniermannschaft. «Ich habe den Jungs gesagt, dass sie es geschafft haben, eine Nation hinter sich zu bringen», sagte Wück. Welt- und Europameister in sechs Monaten – das gab’s noch nie.

«Was die U17-Mannschaft in den letzten Wochen gezeigt hat, das möchte ich auch bei der A-Mannschaft sehen», sagte Rekordnationalspieler Lothar Matthäus. 2014er Weltmeister wie Bastian Schweinsteiger, Thomas Müller oder Philipp Lahm schickten rühmende Glückwunschworte an die möglichen Nachfolger. Bundeskanzler Olaf Scholz würdigte eine «großartige Teamleistung» bei einem «packenden Turnier». «Das ist einfach mal ein goldener Jahrgang», sagte DFB-Sportdirektor Rudi Völler.

Nagelsmanns EM-Versprechen

Bundestrainer Julian Nagelsmann, dessen A-Nationalmannschaft noch keine Vorfreude auf die Heim-EM 2024 geweckt hat, war vom Auftritt auch begeistert. «Natürlich versuchen wir, daran anzuknüpfen. Es war ein, glaube ich, für die U17 sehr emotionales Turnier, das haben viele Menschen in Deutschland auch geguckt», sagte Nagelsmann bei der EM-Auslosung.

Die Rekordzahl für diese Altersklasse von im Durchschnitt 2,47 Millionen Menschen fieberte allein bei der RTL-Übertragung in Deutschland mit, als die U17 für das nächste WM-Drama sorgte. Nach nervenzehrenden Auftritten im Viertelfinale gegen Spanien und einem Elfmeterkrimi bei der Halbfinal-Achterbahnfahrt gegen Argentinien setzte die Auswahl beim Endspiel-Wahnsinn gegen die Grande Nation noch einen drauf. «Es war einfach wundervoll, die Jungs haben deutsche Fußballgeschichte geschrieben», sagte Nationalmannschaftsleiter Joti Chatzialexiou. «Es war eine riesige Mannschaftsleistung.»

Dramatisches Final-Drehbuch

2:0-Führung durch den Dortmunder Brunner und Kapitän Noah Darvich vom FC Barcelona, Anschlusstor, Platzverweis für den Leipziger Winners Osawe, Ausgleich, mit letzter Kraft nach einer halben Stunde in Unterzahl ins Elfmeterschießen gerettet. Dort lag das Team um den vom Ersatztorwart zum WM-Matchwinner aufgestiegenen Heide auch zurück. Doch der Hachinger Torhüter parierte wie gegen Argentinien zwei Strafstöße. Als finaler Schütze behielt der Dortmunder Almugera Kabar die Nerven. «Wir sind die beste Mannschaft der Welt, da hält uns auch eine Rote Karte nicht auf, weil wir einfach ein Team sind», wies BVB-Jungstar Brunner auf eine imponierende Mentalität hin.

Brunner wurde mit dem Goldenen Ball für den besten WM-Spieler ausgezeichnet. Dass das nicht automatisch eine Karriere wie von Toni Kroos, der 2007 bei der U17-WM als herausragender Akteur geehrt worden war, nach sich zieht, zeigen zahlreiche Beispiele. Doch der Weg ist geebnet. «Oftmals sind es ja genau diese Jahrgänge, die dann viele Jahre später Karriere machen», sagte DFB-Sportdirektor Rudi Völler. «Wenn sie so weiterarbeiten und sich weiter verbessern, können sie auch irgendwann mal A-Nationalspieler werden. Das ist noch ein langer Weg.»

So können aus den Weltmeistern gute Profis werden

Ein langer Weg war auch die Rückreise nach fünf Wochen in Südostasien, wo die Schüler 11 000 Kilometer von der Heimat entfernt neben ihren Fußball-Prüfungen auch bei mehr als einem Dutzend Klausuren abliefern mussten. Vom Finalort Surakarta ging es über Jakarta und Doha heim nach Frankfurt/Main, wo nach der planmäßigen Ankunft um 6.40 Uhr und einem Temperaturunterschied von über 40 Grad zu einem Empfang am DFB-Campus geladen wurde. «Wir sind Europa- und Weltmeister. Ich habe den Jungs gesagt, sie machen sich unsterblich», schwärmte Wück. «Wenn einer den Charakter der Mannschaft kennengelernt hat, dann den, mit Widerständen zu kämpfen. Immer an sich zu glauben. Das ist unglaublich.»

Wück ließ nach dem ersten deutschen WM-Titel in dieser Altersklasse seine Zukunft offen. Die seiner Spieler, die ihn als Zeichen der Wertschätzung als Ersten den WM-Pokal in die Höhe heben ließen, müssen nun vor allem die Vereine gestalten. «Jetzt liegt es an den Clubs. Es liegt wirklich an der deutschen Fußballlandschaft, diesen Jungs die Möglichkeit zu geben, in der 1., 2. oder 3. Liga zu spielen», sagte der 50-Jährige. «Wir müssen in Deutschland Wege gehen, den deutschen Talenten Spielzeit zu verschaffen. Dazu gehört auch Vertrauen.»

Von Christian Kunz, dpa
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