Der Schweizer Kevin Mbabu (r) blockt eine Flanke des Walisers Aaron Ramse. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Jean-Christophe Bott/Keystone/dpa)

Die enttäuschten Schweizer waren mit hängenden Köpfen längst vom Platz gegangen, als sich die Waliser um ihren Star Gareth Bale im Mannschaftskreis mit einem lauten «Come on» auf die nächsten Turnieraufgaben einstimmten.

Das 1:1 (1:0) am Samstag in Baku fühlte sich für die Eidgenossen wie eine Niederlage an. Trotz deutlicher Überlegenheit und klarer Chancenvorteile verspielte das Team von Trainer Vladimir Petkovic im Duell mit dem Halbfinalisten von 2016 einen Topstart in die Fußball-Europameisterschaft und steht im zweiten Gruppenspiel gegen Auftaktsieger Italien am kommenden Mittwoch bereits unter Druck.

«Mit dem Unentschieden sind wir nicht zufrieden. Wir hatten sicher mehr verdient», trauerte Petkovic kurz dem verpassten Sieg nach und blickte dann umgehend auf die bevorstehende Härteprüfung gegen die Azzurri voraus: «Italien ist der Favorit, aber wir probieren zu punkten. Wir müssen noch konsequenter beim Abschluss sein.»

Schweiz weitgehend dominant

Kieffer Moore rettete den erst in der Schlussphase aufkommenden Walisern mit seinem Ausgleichstor in der 74. Minute einen glücklichen Punkt. «Ich bin sehr beeindruckt von Kieffer. Er hat viel Ballgefühl und ist ein williger Läufer», lobte Wales-Trainer Rob Page den bulligen Torschützen. Auch Bale war begeistert: «Ich denke, wir haben viel Charakter gezeigt und hart gearbeitet. Ich bin stolz auf die Jungs.»

Zuvor hatte Breel Embolo (49.) die über weite Strecken der Partie dominierenden Schweizer in Führung geköpft. «Es ist hart für uns. Wir haben zwei Punkte verloren», resümierte der auffällig agierende Stürmer vom Bundesligisten Borussia Mönchengladbach und forderte: «Wir müssen im letzten Teil des Spielfeldes konsequenter sein und uns in den kleinen Dingen verbessern.»

Fünf Minuten vor Ultimo fühlten sich die Schweizer kurz als Sieger, als der eingewechselte Mario Gavranovic mit seiner ersten Ballberührung traf. Der Schütze stand beim Abschluss jedoch knapp im Abseits, weshalb der Treffer nach Videobeweis keine Anerkennung fand. Noch in der 90. Minute scheiterte Embolo mit einem Kopfball am starken Wales-Keeper Danny Ward. «Er war exzellent», lobte Page den Torwart.

Bei sommerlichen Temperaturen bemühten sich beide Teams von Beginn an um offensive Akzente, scheuten dabei aber zunächst das große Risiko. Die erste Chance gehörte den Walisern, doch Moore vom englischen Zweitligisten Cardiff City scheiterte mit einem Kopfball am glänzend reagierenden Yann Sommer im Schweizer Tor.

Wales steht defensiv gut

Die Eidgenossen hatten zwar etwas mehr Spielanteile, taten sich gegen die gut gestaffelte Defensive der Insel-Kicker aber schwer. Dennoch gab es Chancen. Innenverteidiger Fabian Schär hätte nach einem Eckball fast per Hacke getroffen, doch Ward rettete mit einer starken Fußparade. Danach vergab der Ex-Frankfurter Haris Seferovic zweimal.

Dazwischen gab es viel Leerlauf. Die Waliser, bei denen Trainer Ryan Giggs wegen eines anstehenden Gerichtsprozesses die EM nur aus der Ferne verfolgen kann, boten kaum Räume und suchten selbst nur sporadisch den Weg nach vorne. Den Schweizern fehlte es an Ideen und der nötigen Präzision.

Nach dem Wechsel legten die Schweizer einen furiosen Start hin. Zunächst scheiterte Embolo nach einem Klasse-Solo am erneut stark reagierenden Ward. Doch der 24-Jährige erhielt umgehend eine zweite Chance, die er nutzte, als er den anschließenden Eckball per Kopf im Netz versenkte. Die Führung verlieh dem überlegenen Team von Trainer Petkovic noch mehr Selbstvertrauen. Der Wolfsburger Kevin Mbabu hätte schnell den zweiten Treffer nachlegen können, verzog aber aus verheißungsvoller Position.

Ramsey: «Wir können stolz sein»

Erst nach einer Stunde meldet sich die Waliser in der Offensive zurück. Ein Schuss von Abwehrspieler Ben Davies wurde jedoch noch leicht abgefälscht und verfehlte dadurch knapp das Tor. Auf der Gegenseite verpasste Embolo mit einem Schlenzer um wenige Zentimeter seinen zweiten Treffer.

Doch der Schwung der Eidgenossen erlahmte. «Wir sind ein bisschen passiver geworden», kritisierte Petkovic. Das sollte sich rächen. Im Anschluss an eine Ecke kam Moore frei zum Kopfball und ließ Sommer keine Chance. «Wir können stolz auf den Punkt sein. Darauf können wir aufbauen», sagte Mittelfeldspieler Aaron Ramsey mit Blick auf das zweite Gruppenspiel gegen die Türkei und richtete eine Kampfansage an die Konkurrenz: «Wir können uns definitiv verbessern.»

Von Thomas Eßer und Eric Dobias, dpa
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