Schiedsrichter Felix Zwayer (M) läuft an Dortmunds Jude Bellingham vorbei, um sich den Videobeweis anzuschauen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Bernd Thissen/dpa)

Sehenswertes Spektakel, kontroverse Diskussionen und ein juristisches Nachspiel – der Fußball-Gipfel zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern sorgte nicht nur aus sportlichen Gründen für jede Menge Aufregung.

In erster Empörung über die 2:3 (1:2)-Niederlage seines Team wählte BVB-Jungprofi Jude Bellingham harsche Worte. «Du gibst einem Schiedsrichter, der schon in Spielmanipulationen verwickelt war, das größte Spiel in Deutschland. Was erwartest du?», sagte der englische Nationalspieler beim norwegischen Sender Viaplay Fotball über Referee Felix Zwayer.

DFB ermittelt gegen Bellingham

Nach der Anspielung des erst 18 Jahre alten Mittelfeldspielers auf den Schiedsrichter-Skandal um Robert Hoyzer in der Bundesliga vor 16 Jahre drohen sportjuristische Konsequenzen. Schließlich ist Zwayer, der 2005 zu den Kronzeugen gegen Hoyzer gehörte, mittlerweile rehabilitiert. «Der Kontrollausschuss wird die Äußerung des Dortmunder Spielers Jude Bellingham auf ihre sportstrafrechtliche Relevanz prüfen», sagte Anton Nachreiner, der Vorsitzende des DFB-Gremiums, auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.

Nach einem «Bild»-Bericht soll außerdem Schiedsrichter-Beobachter Marco Haase Strafanzeige gegen Bellingham und auch gegen Ex-Spitzenschiedsrichter Manuel Gräfe gestellt haben. Strafbestände seien Beleidigung, Nachrede und Verleumdung. Demnach habe der Dortmunder Nachwuchsstar ohne den einstigen Bundesliga-Schiedsrichter Gräfe, der die Szene am Samstagabend in Dortmund für das ZDF kommentierte, «diese Äußerung aus Lebenserfahrung nicht getan haben» können. Der DFB äußerte sich dazu vorerst nicht.

Der aus Altersgründen nicht mehr als Referee tätige Gräfe hatte Zwayer aufgrund seiner Verwicklungen in den 2005 aufgedeckten Wettskandal um Ex-Schiedsrichter Robert Hoyzer noch vor wenigen Monaten kritisiert.

Hoyzer war vom Landgericht Berlin wegen Beihilfe zum Betrug zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten ohne Bewährung verurteilt worden. Zwayer wurde damals vom DFB rückwirkend für mehrere Monate gesperrt, weil er seinen Verdacht gegen Hoyzer nicht früher gemeldet und einmal ein 300 Euro hohes Honorar von Hoyzer angenommen haben soll.

Haaland: «Schiedsrichterleistung war ein Skandal»

BVB-Vereinboss Hans-Joachim Watzke sprang Bellingham verbal zur Seite. «Sein Satz ist nicht falsch, auch wenn er ihn nicht sagen muss. Aber das ist dann auch der Emotionalität geschuldet, die man einem 18-Jährigen zugestehen muss. Jude hat niemanden beleidigt, sondern ein Faktum geschildert», sagte Watzke dem «Kicker» (Sonntag). Nicht so verständnisvoll reagierte Oliver Kahn auf die Äußerung des BVB-Profis. «Das geht natürlich schon einen gewaltigen Schritt zu weit», kommentierte der Münchner Vorstandschef bei «Sky 90».

Weniger angreifbar als Bellingham, aber nicht minder verärgert äußerte sich BVB-Coach Rose über den 40 Jahre alten Unparteiischen aus Berlin. Grund für die Kritik war der spielentscheidende Elfmeter von Robert Lewandowski (78.) für die Bayern nach einem Handspiel von Mats Hummels, den Zwayer erst nach Studium der Video-Bilder gab. Rose echauffierte sich am Spielfeldrand und wurde daraufhin auf die Tribüne geschickt.

«Das Spiel hätte einen anderen Ausgang und eine andere Entscheidungsfindung verdient», klagte Rose. Mit sarkastischem Unterton fügte der Fußball-Lehrer an: «Herr Zwayer kann ruhig noch ein paar BVB-Spiele pfeifen. Wir sind hier, wir sind bereit. Er kann uns noch ein paar Steine und Stöcke in den Weg werfen. Wir machen weiter.» Ähnlich kritisch meldete sich Torschütze Erling Haaland (47.) zu Wort: «Die Schiedsrichterleistung war ein Skandal. Er war arrogant, mehr will ich nicht sagen.»

Entscheidungen sind zu Lasten vom BVB

Zwayer sah sich bei aller Kritik im Recht. «Der Videoschiedsrichter hat für sich eine Beurteilung vorgenommen und gesagt: «Hummels hat den Arm in einer unnatürlichen Armhaltung vom Körper weggestreckt.» Daraufhin habe ich es mir am Monitor angeschaut und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass es ein strafbares Handspiel ist», sagte er bei Sky.

Dass der Referee jedoch wenige Minuten vor dem Elfmeter für die Bayern nach einem Tackling von Lucas Hernandez an BVB-Kapitän Marco Reus im Münchner Strafraum auf eine Sichtung der TV-Bilder verzichtet hatte, vergrößerte den Dortmunder Ärger. «Meine Elfmeterszene war auch 50:50. Das hätte er sich wenigstens anschauen müssen», befand Nationalspieler Reus. «Wir hatten immer das Gefühl, dass wir das Spiel gewinnen können. Und dann ist es natürlich doppelt bitter, wenn wir so bestraft werden.»

Selbst Bayern-Coach Julian Nagelsmann äußerte Verständnis für den Unmut der Dortmunder über die unterschiedliche Vorgehensweise von Zwayer. «Ich verstehe, dass die beiden Situationen Diskussionen auslösen können. In meinen Augen kann man beide Elfmeter geben.» Auch der ehemalige Münchner Profi und heutige ARD-Experte Bastian Schweinsteiger empfand Mitleid mit den Dortmundern: «Entweder es sind zwei Elfmeter oder keine zwei Elfmeter. So hätte ich entschieden.»

Aufgrund des Vorgehens von Zwayer fühlte sich der BVB um den Lohn für eine couragierte Vorstellung gebracht. Trainer Rose attestierte seinem Team eine gute Leistung: «Es war ein klasse Fußballspiel von zwei Mannschaften mit offenem Visier, allerdings mit einem schlechten Ausgang für uns. Wir wollten insgesamt ein Signal aussenden – auch was das Ergebnis anbetrifft. Was die Leistung anbetrifft, ist es uns gelungen.»

Von Heinz Büse und Holger Schmidt, dpa
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