Legendäres Interview: Rudi Völler nach dem 0:0 der DFB-Elf gegen Island in Reykjavik. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Kay Nietfeld/dpa)

Island, da war doch was? Genau. Es war fast auf den Tag genau vor 18 Jahren, als Teamchef Rudi Völler in Reykjavik nach einem tor- und trostlosen 0:0 der Fußball-Nationalmannschaft in der EM-Qualifikation explodierte und für die legendäre Wutrede in der DFB-Geschichte sorgte.

Völlers Wortwahl an jenem 6. September 2003 im Nationalstadion Laugardalsvöllur fiel derbe aus. Am Tag danach entschuldigte sich der heute 61 Jahre alte Geschäftsführer des Bundesligisten Bayer Leverkusen. Seine Abrechnung mit Kritikern und Experten, die er «Gurus» schimpfte, gipfelte erst im Fernsehen und danach auch in der Pressekonferenz in dem emotionalen Satz: «Ich kann diesen Scheißdreck nicht mehr hören.» Völler sah damals rot.

Wetter mies, Spiel mies – Völlers Laune mies

Das Wetter war mies, das Spiel des Vize-Weltmeisters um die Leitwölfe Oliver Kahn und Michael Ballack war mies. Und richtig mies wurde die Laune von Völler, als er ins winzige TV-Studio zu ARD-Journalist Waldemar Hartmann musste. Als Völler auf den Start des Interviews wartete, musste er zuhören, wie Moderator Gerhard Delling und Experte Günter Netzer in der Heimat die Nationalmannschaft zerrissen.

Völlers Blutdruck stieg sekündlich. Dann legte er los. «Delling, das ist eine Sauerei, was der sagt. Die Geschichte mit dem Tiefpunkt, und nochmal ein Tiefpunkt. Und noch ein niedriger Tiefpunkt.» Er könne «diesen Käse nicht mehr hören nach jedem Spiel», in dem kein Tor gelungen sei. «Ich sitze jetzt seit drei Jahren hier und muss mir den Schwachsinn immer anhören», polterte Völler in Fahrt kommend.

Ach, «der Scheiß, der da immer gelabert wird», empörte sich der von den Fans verehrte «Ruuuuuudi». Neben Delling attackierte er auch den 1974er-Weltmeister Netzer direkt. «Der Günter, was die früher für einen Scheiß gespielt haben, da konntest du doch früher überhaupt nicht hingehen, die haben doch Standfußball gespielt», ätzte Völler.

«Hast drei Weizenbier getrunken»

Auch Hartmann blieb nicht verschont, der das Spiel im Warmen verfolgt hatte. «Du sitzt hier locker auf deinem Stuhl, hast drei Weizenbier getrunken», polterte Völler. «Waldi» Hartmann schadete die Attacke nicht, im Nachhinein trug sie ihm einen lukrativen Werbevertrag mit einem bayerischen Weißbier-Produzenten ein.

Es könne doch keiner verlangen, dass Deutschland die Isländer einfach im Vorbeigehen 5:0 wegputze, klagte Völler: «Aber so redet ihr doch alle.» Und mit dieser Erwartungshaltung könnte sich am Mittwoch auch Bundestrainer Hansi Flick beim Spiel auf Island konfrontiert sehen.

Völler ließ damals raus, was ihm «schon lange auf der Seele» lag. Er schimpfte über die «Gurus, die irgendwann mal Fußball gespielt haben», ob «Kaiser» Franz Beckenbauer, Netzer oder auch der damalige Zeitungskolumnist Paul Breitner: «Es gibt bei uns im Moment in Deutschland eine Steilkurve nach oben, diese Häme, diese Kritik.»

Völler wollte sich im Herbst 2003 vor allem auch schützend vor seine Spieler stellen. «Ich könnte es mir einfach machen, mich kritisiert ja keiner», sagte er. «Sauerei», «Meinungsmache», «das Allerletzte», so tobte der Weltmeister von 1990. Seine Vorgänger, Berti Vogts und Erich Ribbeck, hätten «sich das alles gefallen lassen, mussten das alles immer runterschlucken». Er nicht. Rudi Völler schlug zurück.

Entschuldigung am Tag danach

Am Tag danach hatte sich Völler wieder im Griff und entschuldigte sich für die Form seiner Brandrede. «Ich gebe zu, dass die Wortwahl ein bisschen derb war.» In der Sache stand er zu seinen Aussagen.

Beckenbauer reagierte damals im dpa-Gespräch verständnisvoll auf den Ausbruch seines ehemaligen Spielers. «Das hatte sich bei Rudi aufgestaut, das ist menschlich. Der Gaul ist mit ihm durchgegangen.» Er erinnerte an seine Zeit als Nationalcoach: «Ich habe das auch einige Male gemacht, zum Beispiel bei der WM 1986 in Mexiko.»

Völlers Tirade hatte sogar ein musikalisches Nachspiel. Der Westdeutsche Rundfunk in Köln vertonte sie in einem Song. Grundlage dafür war die Version «Es gibt nur ein Rudi Völler». Dazu wurden Völlers Kernsätze wie «so einen Scheiß kann ich nicht mehr hören» oder «ich will nicht, dass alle nur Rudi, Rudi schreien» gemischt.

Von Klaus Bergmann und Arne Richter, dpa
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