Bochums Torhüter Manuel Riemann (r) erzielte ein kurioses Eigentor. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Bernd Thissen/dpa)

Seinen bislang größten Sieg feierte Thomas Reis lieber im Stillen. Auf übermäßigen Jubel verzichtete der Trainer des FC Schalke 04 nach dem 2:0 (1:0) an alter Wirkungsstätte beim VfL Bochum, wo er vor dem brisanten Revierderby übelst beschimpft worden war.

«Natürlich war das heute etwas Besonderes, da mache ich gar keinen Hehl draus. Es war ja das erste Mal, dass ich als Gegner hier ins Stadion gekommen bin», sagte der langjährige Bochumer Profi und Trainer, der nun drauf und dran ist, den FC Schalke doch noch in der Fußball-Bundesliga zu halten.

Durch den zweiten Sieg in Serie zog der in dieser Saison lange kaum konkurrenzfähige Aufsteiger mit 19 Zählern am punktgleichen VfL vorbei auf Rang 17. «Wir sind wieder mittendrin», frohlockte der Torschütze zum zweiten Treffer, Marius Bülter.

Reis will sich «innerlich» freuen

Sein Chefcoach blieb dabei äußerlich cool und freute sich nach eigenem Bekunden eher «innerlich», wie er bei Sky berichtete. «Man hat ja Respekt vor dem Verein, wo man drei Jahre gearbeitet hat und wo es auch einen Riesen-Spaß gemacht», sagte er später noch.

Beim Großteil des VfL-Anhangs ist er nach seinem von vielen Misstönen begleiteten Rausschmiss in Bochum nach dem Saison-Fehlstart und dem anschließenden Wechsel zum ungeliebten Nachbarn Schalke unten durch. Ein beleidigendes Plakat («Wenn du kein ehrenloser Bastard bist, wer dann?«) und etliche Pfiffe vor dem Spiel hatte Reis recht stoisch ertragen. Auch nach der Partie gab es von ihm – wohl bewusst – wenig Extrovertiertes.

Spieler und Fans reagierten weitaus euphorischer auf den Befreiungsschlag – pünktlich zum großen Revierderby am kommenden Samstag gegen Borussia Dortmund ist Schalke erstmals seit dem Herbst 2022 nicht mehr Letzter. «Die Nummer eins im Pott sind wir», sangen die in die Nachbarstadt gekommenen Fans aus Gelsenkirchen überschwänglich.

VfL-Keeper Riemann mit Slapstick-Eigentor

Freud und Leid lagen dabei auch räumlich sehr eng beieinander. Bochums Keeper Manuel Riemann kauerte wie ein Häufchen Elend auf dem Rasen, Trost gab es nach dem Spiel bezeichnenderweise nur von den Schalker Spielern. Mit einem krassen Slapstick-Eigentor (45.) hatte der meinungsstarke VfL-Torhüter den Gästen überhaupt erst die Basis für den Sieg verschafft. Bis dahin hatte Schalke keine einzige Torchance, Bochum war besser.

«Wir haben heute eine riesige Chance verpasst», sagte Bochums Trainer Thomas Letsch nach der vierten Bundesliga-Niederlage in Serie anschließend: «Dafür sind wir selbst verantwortlich. Es ist ein massives Problem, dass wir nach einer überlegen geführten Halbzeit, in der wir lediglich unsere Chancen nicht nutzen, erneut nicht zumindest mit einem 0:0 in die Pause kommen.» Grund dafür war natürlich der Aussetzer Riemanns, der den Ball einfach vor der Linie fangen musste, ihn aber stattdessen über die Linie schubste.

Bochums Förster beklagt Reaktion der Fans

«Mit den Fehlern, die wir derzeit machen, wird es schwer zu gewinnen und die Klasse zu halten», klagte Mittelfeldspieler Philipp Förster. Nach der Pause ging dann auf einmal nichts mehr bei den Bochumern, die sich sogar vom eigenen Anhang vorwerfen lassen mussten, nicht zu kämpfen. «Ich kann verstehen, dass der Eindruck entsteht», sagte Letsch überraschend dazu.

Kurioserweise gehen beide nun punktgleichen Teams mit völlig unterschiedlichen Stimmungslagen in die kommenden Wochen. Schalke als eins von lediglich zwei in der Rückrunde noch unbesiegten Teams fiebert dem Derby gegen den BVB entgegen – der Mannschaft, die in diesem Jahr sogar noch keinen Punkt abgegeben hat. Beim VfL herrscht was schon Untergangsstimmung.

Nach dem Spiel wurden die Spieler ausgepfiffen und wohl auch übelst beleidigt. «Das kann man so nicht akzeptieren», beschwerte sich der geknickte Förster anschließend und berichtete über mehrere Stinkefinger, die aus dem Fanblock zu sehen gewesen seien. Letsch kündigte an, nun «alles auf den Prüfstand» stellen zu wollen.

Carsten Lappe, dpa
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