Verzweifelt: Für Superstar Cristiano Ronaldo und Titelverteidiger Portugal ist die EM beendet. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Thanassis Stavrakis/Pool AP/dpa)

In der Kabine flossen beim entthronten Europameister um Cristiano Ronaldo die Tränen. Nach dem bitteren Aus im EM-Achtelfinale sandte der Ministerpräsident tröstende Worte an die Auswahl um den wieder früh gescheiterten Superstar.

Der Trainer hörte fast gar nicht mehr auf, von Stolz zu reden und formulierte nichts weniger als den WM-Titel als Kampfansage an die Konkurrenz. Ronaldo schwieg lange, erst mit einem halben Tag Abstand fand der Superstar die Worte wieder.

«Die Fans haben uns von Anfang bis Ende unermüdlich unterstützt», schrieb der 36-Jährige am Montag bei Instagram. Man habe alles gegeben, um den Titel zu verteidigen, und sei stolz auf das Erreichte, erklärte Ronaldo. Er versprach: «Wir werden noch stärker zurückkommen.» Ob Ronaldo auch den Spielern zählte, die in der Kabine der Portugiesen im Estadio La Cartuja weinten, während sich ihre belgischen Bezwinger feiern ließen, ist nicht bekannt.

Urlaub statt Viertelfinale

Als einer der ersten hatte der Weltstar den Rasen verlassen. Wieder das Aus im Achtelfinale wie schon bei der WM 2018 in Russland. Urlaub statt Viertelfinale in München gegen Italien. Auch weil Ronaldo zum ersten Mal bei diesem Turnier nicht traf. Fünf Tore hatte er in der Gruppenphase erzielt – von insgesamt sieben der Portugiesen. Beim 0:1 gegen die Belgier hatte die 101-Jahre-Dreierabwehrkette den 36 Jahre alten Ronaldo im Duell der Routiniers ziemlich im Griff.

Dass er es war, der von Belgiens Torwart Thibault Courtois unmittelbar vor dem Tor durch Thorgan Hazard gefoppt worden war und ins leere sprang, passte zu dem Abend von Sevilla, der nicht der Abend des Cristiano Ronaldo werden sollte. Auch wenn ihm wie ja meistens der Wille und das Bemühen nicht abzusprechen waren. Oder wie es Portugals Trainer Fernando Santos formulierte: «Er hat sehr hart gearbeitet, er hat alles gegeben, er war ein echter Kapitän.» Mit 14 Treffern insgesamt ist Ronaldo seit diesem Turnier unangefochtener EM-Rekordtorjäger.

Was Courtois und danach auch noch Romelu Lukaku, geschätzter Kollege aus der italienischen Serie A, dem fünfmaligen Weltfußballer ins Ohr flüsterten, ist nicht bekannt. Das lag auch daran, dass Ronaldo die Stätte des Misserfolgs kommentarlos verließ – Details der Unterhaltung gab er in den Sozialen Medien später auch nicht preis.

Santos: «Haben alles getan»

«Wir haben alle gedacht, wir erreichen das Finale und gewinnen die EM», erklärte Coach Santos. Es sei aber nicht schwer, die Spieler wieder aufzurichten. «Sie haben alles getan, um den Portugiesen Freude zu bereiten», betonte er. Portugals Regierungschef António Costa schrieb bei Twitter: «Der Kampf und der Einsatz reichten zwar nicht aus, um in die nächste Runde zu kommen, aber sie haben erneut die Farben Portugals geehrt.»

Die Enttäuschung war auch in Portugals Zeitungen zu lesen. «Das Weiterkommen scheiterte am Pfosten. Die Seleção hat bis zur letzten Sekunde gekämpft. In der Umkleidekabine haben die Stars dann geweint», schrieb die Tageszeitung «Jornal de Noticias». «Wir werden immer Paris haben. Vom Europameister bleibt nur noch eine schöne Erinnerung», so die Sportzeitung «A Bola». Damals war Portugal in Frankreichs Hauptstadt durch ein 1:0 im Finale gegen den Gastgeber Europameister geworden.

Ein Flattertor à la Ronaldo sorgte für das Aus der Portugiesen. Es war der einzige Ball, den die Belgier aufs Tor schossen, in Richtung des Kasten von Keeper Rui Patrício gingen sechs. Die Portugiesen versuchten es 24 Mal. Am knappsten scheiterte Raphaël Guerreiro kurz vor Schluss, als er den Pfosten traf. Auch Ronaldo hatte eine gute Chance. Wer es aber auch immer versuchte, der Ball ging nicht rein. Als unfair bezeichnete Santos trotzig das Ergebnis. «Das Einzige, was wir mitnehmen können, ist, dass es eine weitere Lektion ist und wir stärker zurückkommen werden», sagte Verteidiger Rúben Dias.

Nächstes Ziel Katar

Und diesmal muss Ronaldo, der sich beim EM-Gewinn 2016 im Finale gegen Gastgeber Frankreich verletzt und die Mannschaft danach von der Außenlinie spektakulär angetrieben hatte, gar nicht so lange warten. Nach der Verschiebung der Europameisterschaft 2020 auf diesen Sommer sind es knapp anderthalb Jahre, bis die Winter-WM in Katar steigt. Ronaldo ist dann fast 38 Jahre alt. Was nichts heißen muss. Seine Besessenheit, seine Disziplin und sein Wille dürften an dem EM-Scheitern nicht zerbrechen. Und seine Mama hatte schon betont, dass ein Ende der Karriere ihres Sohnes noch nicht absehbar sei. Auch die EM in drei Jahren ist beim Modellathleten gut vorstellbar.

«Es wird noch drei Jährchen oder so dauern», hatte Mutter Dolores Aveiro gesagt, deren geplante Reise zum Endspiel mit dem berühmten Sohn nun nicht mehr stattfinden wird. Geht es nach Trainer Santos, kann sie schon mal einen Flug im Dezember nach Katar buchen. «2018 sind wir bei der Weltmeisterschaft im Achtelfinale ausgeschieden und im Jahr darauf haben wir die Nations League gewonnen. Wir müssen nach vorne schauen und versuchen, die Weltmeisterschaft zu gewinnen», sagte der 66-Jährige.

Von Jens Marx, Christian Kunz und Emilio Rappold, dpa
Folge uns

Von