Sébastien Haller erzielte den so wichtigen Treffer für den BVB. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Federico Gambarini/dpa)

Das Ende seiner Torflaute feierte Sébastien Haller auf eher stille Art. Demütig legte er seine rechte Hand auf das Herz und genoss den Jubel der Dortmunder Fans.

Nach dem 1:2 (0:2) im ersten Viertelfinal-Duell der Champions League bei Atlético Madrid schloss der BVB-Trainer den Gamechanger in die Arme. Dank seines Treffers (81. Minute) kehrte beim BVB nach einem kapitalen Fehlstart und einer zunächst desolaten Vorstellung die Hoffnung zurück.

«Dieses Tor kann noch sehr wichtig sein. Wir reisen mit einem guten Gefühl ab, dass wir das in der kommenden Woche noch regeln können», kommentierte Sportdirektor Sebastian Kehl in der Hoffnung auf ein Happy End im Rückspiel und den ersten Halbfinaleinzug der Borussia in der Königsklasse seit elf Jahren.

Dank der Nervenstärke des 29 Jahre alten Haller kam der BVB im brodelnden Estadio Metropolitano mit einem blauen Auge davon. Nach nervösem Beginn und Aufbaufehlern im Minutentakt, die zu frühen Gegentoren durch Rodrigo de Paul (4. Minute) und Samuel Lino (32.) führten, drohte eine Abreibung erster Güte. «Wir sind sehr schlecht ins Spiel gekommen. Das ist auf dem Level, gegen solch einen Gegner, normalerweise game over», bekannte Terzic.

Terzic nimmt in der Pause Spieler in die Pflicht

Ähnlich wie der Trainer wähnte sich auch Teamkapitän Emre Can im falschen Film: «In der ersten Halbzeit hätten wir untergehen können, da haben sie uns aufgefressen in den Zweikämpfen.» Nicht minder verärgert war Mittelfeldspieler Marcel Sabitzer über die Dominanz der anfangs wie entfesselt aufspielenden Spanier: «Auf dem Niveau darf das nicht passieren. Das wird sofort bestraft und hätte deutlich schlechter ausgehen können.»

Die Halbzeitansprache von Terzic wirkte Wunder. Wie verwandelt kamen die BVB-Profis aus der Kabine, kämpfen sich zurück in die Partie, kamen durch Haller zum Anschlusstreffer und waren bei zwei Lattentreffern von Jamie Bynoe-Gittens (87.) und Julian Brandt (90.+6) in der Schlussphase sogar noch dem Ausgleich nahe. «Es war ein Spiel mit sehr viel gemischten Gefühlen. Jetzt haben wir das Ergebnis, dass uns alles offen hält», kommentierte Terzic, der um eine positive Sicht der Dinge warb: «Natürlich ist das Ergebnis nicht das, was wir uns gewünscht haben. Aber man muss sich für ein 1:2 gegen Atlético auch nicht schämen.»

Nicht nur auf dem Platz ging es hoch her. So lieferte sich Kehl mit Trainer Diego Simeone an der Seitenlinie ein heftiges Wortgefecht mit Atlético-Trainer Diego Simeone und erhielt dafür nicht nur im Netz viel Zustimmung. «Du darfst dir nicht alles gefallen lassen. Wir kennen Simeone an der Linie. Wenn der Schiedsrichter da nicht eingreift, ist es sicherlich auch mal erforderlich, ihn zurechtzuweisen», befand DAZN-Experte Michael Ballack. «In der Situation kommen Emotionen mal zusammen. Es ging darum, heute dagegenzuhalten, das war in der Situation der Fall. Mehr war es auch nicht», sagte Kehl.

Haller als Gewinner

Neben dem ebenfalls eingewechselten Brandt, der das Dortmunder Spiel deutlich belebte, war Haller bei den Verlierern der größte Gewinner. Sein Treffer im Stile eines echten Torjägers könnte ihm im teaminternen Kampf um einen Stammplatz mit dem seit Wochen formschwachen Nationalstürmer Niclas Füllkrug einen Vorteil verschaffen. Terzic attestierte dem Edeljoker deutliche Fortschritte: «Sébastien hat in der Länderspielpause die Zeit wirklich genutzt. Deshalb hatte er sich diese Chance verdient – und hat sie genutzt.»

Schon beim Afrika-Cup zu Beginn des Jahres schien das einstige Sorgenkind, bei dem im Sommer 2022 Hodenkrebs diagnostiziert worden war, auf gutem Weg zurück zu alter Klasse. Hallers Siegtreffer für die ivorische Nationalmannschaft im Finale beförderte ihn zurück ins Rampenlicht. Doch eine anschließende Verletzung warf ihn wieder wochenlang zurück. «Wir haben es sehr bedauert, dass er diese Euphorie aus dem Afrika-Cup nicht mit zu uns bringen konnte. Aber jetzt sieht das bei ihm wieder richtig gut aus», befand Terzic.

Lange Zeit zum Atemholen bleibt den Dortmundern nicht. Schon Samstag wollen sie sich beim Spiel in Mönchengladbach die Punkte zurückholen, die beim 0:1 am vergangenen Wochenende in der Bundesliga gegen den VfB Stuttgart verloren gingen. Ansonsten wächst beim Tabellenfünften die Gefahr, im nächsten Jahr mit der Europa League vorliebnehmen zu müssen. Terzic glaubt, dass der wechselhafte Auftritt von Madrid im Bundesligaendspurt helfen kann: «Wir werden an diesem Spiel wachsen.»

Von Heinz Büse , dpa
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