Kasper Hjulmand, Trainer von Dänemark, jubelt nach Spielende über das 4:0 Dänemarks gegen Wales. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Dean Mouhtaropoulos/Getty Pool via AP/dpa)

Wer Kasper Hjulmand ist, war bis zu diesem verhängnisvollen zweiten EM-Tag eher den interessierteren Fußballfans bekannt.

Der 49-Jährige trainierte in der Bundesliga den FSV Mainz 05, mit wenig Erfolg. Der FC Nordsjaelland, sein Club in der Heimat, besitzt kaum Strahlkraft über Dänemark hinaus. Die Berufung zum Nationaltrainer im vergangenen Sommer – hierzulande eine Randnotiz. Das Drama um Christian Eriksen änderte alles.

Die Bilder des bestürzten dänischen Teams, versammelt um Hjulmand, gingen um die Welt. Von einem Moment auf den anderen war der Nationaltrainer nicht mehr nur Trainer. «Was er leisten musste, war außergewöhnlich», sagte der dänische 1992er-Europameister Flemming Povlsen im Interview der «Süddeutschen Zeitung».

Begleitet von der größtmöglichen Öffentlichkeit und der Zuneigung von Millionen führte Hjulmand seine Spieler nach den bangen, unwirklich erscheinenden Minuten von Kopenhagen bis ins EM-Halbfinale an diesem Mittwoch (21.00 Uhr/ZDF und Magenta TV) gegen England.

Dänemark träumt von Danish Dynamite 2.0

«Wenn wir in zehn, 15 Jahren zurückschauen, dann werden wir uns fragen: Was war da los? Und sagen: Es war verrückt», sagte Hjulmand am Montag. Verrückt neben und auf dem Platz. Nach den vergangenen EM-Spielen wird in Dänemark längst groß geträumt, von Danish Dynamite 2.0 und dem zweiten Sensationstitel nach 1992. Das Team steht defensiv sicher, den Eriksen-Ausfall in der Offensive kompensieren die jungen Mikkel Damsgaard, Kasper Dolberg und Co. bravourös. «Sie müssen sehr, sehr gut sein, um uns zu schlagen», sagte Hjulmand in Richtung der Engländer.

Der Weg der Dänen in die Runde der besten vier Teams des Kontinents war weiter als für die anderen Nationen. Wie war nach dem Zusammenbruch von Eriksen noch an Fußball zu denken? Der 29-Jährige hatte auf dem Rasen wiederbelebt werden müssen, seine Teamkollegen bildeten teils weinend einen schützenden Kreis um ihn und die Sanitäter. Bei Hjulmand kamen schlimme Erinnerungen hoch, wie er am Montag erzählte.

«Ich habe meinen Onkel durch eine Herzattacke auf dem Fußballplatz verloren», sagte der 49-Jährige im dänischen EM-Quartier in Helsingör ohne dabei ins Detail zu gehen. Bei Nordsjaelland war Jonathan Richter 2009 bei einem Trainingsmatch von einem Blitz getroffen worden, Hjulmand war damals Co-Trainer. Richter hat das Unglück überlebt, sein linker Unterschenkel musste aber amputiert werden.

Hjulmand «Glücksfall für den dänischen Fußball»

Dem dänischen EM-Team half, dass Eriksen schon bald nach seinem Kollaps wieder ansprechbar war und sogar mit seinen Mitspielern telefonieren konnte. «Alle Emotionen des Lebens wurden in zehn Tagen komprimiert», hatte Hjulmand nach dem Einzug ins Achtelfinale gesagt. Das Team wurde zu einer Art Familie, Hjulmand nahm sich für jeden Spieler Zeit. Povlsen bezeichnete den in Aalborg geborenen Nationaltrainer als «Glücksfall für den dänischen Fußball».

Die EM-Reise Richtung Wembley kann Hjulmand im Wissen um den gesünder werdenden Eriksen längst genießen. Vor knapp sechs Jahren, als er in Mainz wegen schwacher Leistungen der 05er beurlaubt worden war, hätte er wohl selbst vom Einzug in ein EM-Halbfinale kaum zu träumen gewagt. «Das ist wirklich ein traumhafter Sommer – und er kann noch besser werden», sagte Hjulmands Mittelfeldspieler Christian Norgaard am Montag. Es ist längst nicht mehr auszuschließen, dass Hjulmand bald als Europameister bekannt ist.

Von Jan Mies, Miriam Schmidt und Nils Bastek, dpa
Folge uns

Von