Rekordnationalspieler Lothar Matthäus hat die bisherigen Auftritte der DFB-Elf bei der Europameisterschaft kritisiert und manche Personalentscheidungen von Bundestrainer Joachim Löw hinterfragt.
Im Achtelfinale zwischen England und Deutschland am Dienstag treffen für Matthäus «zwei Mitfavoriten aufeinander, die mich überwiegend enttäuscht haben». Beide Mannschaften hätten sich «eher ins Achtelfinale gequält», schrieb der 60 Jahre alte Ex-Profi in einer exklusiven Kolumne für den internationalen Dienst der Deutschen Presse-Agentur.
«Insgesamt nicht Deutschland-like»
Beim 2:2 gegen Ungarn im letzten Gruppenspiel vermisste Matthäus lange Zeit Torgefahr aus dem Mittelfeld und Läufe in die Tiefe. «Ich habe schon vor zwei Monaten gesagt: Ich würde mit dem Mittelfeld von Bayern München spielen lassen, mit Joshua Kimmich, (Leon) Goretzka und Thomas Müller», sagte Matthäus und erklärte: «Dann wäre eine Ordnung vorhanden und in Kimmich ein Sechser, der die Bälle in die Tiefe spielt, nicht quer, wodurch das Spiel langsam wird. Ich schätze Toni Kroos, und ich muss sagen: Traumhaft, wie präzise seine Bälle oft von rechts nach links fliegen. Aber das bringt keinen Raumgewinn und ist nicht zeitgemäß. Das war insgesamt nicht Deutschland-like.» Er habe sich an das Vorrunden-Aus bei der WM 2018 erinnert gefühlt.
Zudem könne er «die Entscheidungen von Bundestrainer Joachim Löw teilweise nicht nachvollziehen», schrieb Matthäus. «Er bringt Verunsicherung ins Team, ob mit der Dreierkette, den Positionen der Spieler oder mehreren Veränderungen während des Spiels.»
Man könne zwar sagen, dass alles gut gegangen sei. «Aber wenn das unser Anspruch ist, dann tut mir der deutsche Fußball leid.» Wenn er den Trainern eine Note geben dürfte, würde er Ungarns Coach Marco Rossi «eine sehr gute geben und Löw eine schlechte», so Matthäus.
Löw scheine «noch nicht die Mannschaft gefunden zu haben, an die er wirklich glaubt». Einige Profis hätten Löw «schon mehrfach enttäuscht, aber er gibt ihnen immer wieder eine Chance», schrieb Matthäus. Bayern-Profi Jamal Musiala beispielsweise verdiene mehr Einsatzzeit. «Es muss nach Leistung gehen, nicht nach Erfahrung.»
Auch Hamann mahnt
Auch der frühere Nationalspieler Dietmar Hamann forderte Löw zu taktischen Umstellungen auf. «Ich finde schon, dass der Bundestrainer jetzt mal so aufstellen muss, dass er der Mannschaft die Chance gibt, endlich ihre Stärken besser auszuspielen», sagte der 47-Jährige der Tageszeitung «Die Welt» und mahnte: «Wir müssen endlich mal anfangen, eine Mannschaft auf den Platz zu schicken, die nach vorn viel mehr agiert.» Ansonsten könne die EM für Deutschland am Dienstag mit dem Achtelfinale gegen England vorbei sein.
Hamann sprach sich für eine Viererkette in der Defensive aus. Die bisherige Formation mit einer Dreierkette nehme der DFB-Auswahl «ein Stück weit die Balance und die Kraft, gut nach vorn zu spielen. Wir sind bislang viel zu statisch», sagte der 59-malige Nationalspieler und befand: «In der Offensive hat niemand die Chance zu glänzen.»