Englands Raheem Sterling bejubelt sein Tor zum 1:0 gegen Deutschland. (Urheber/Quelle/Verbreiter: John Sibley/POOL Reuters/dpa)

Wie viel ihm das Wembley-Stadion bedeutet, kann man auf dem Unterarm von Raheem Sterling sehen.

Dort ist ein Junge tätowiert, es ist ein kleiner Sterling, er trägt ein Trikot mit der Nummer zehn und einen Ball unter dem Arm – und er schaut auf den Fußball-Tempel mit dem gewaltigen Stahlbogen.

Sterling ist als Teenager unzählige Male an der Arena im Nordwesten Londons vorbeigelaufen, er wuchs nicht weit entfernt von ihr auf. Er träumte schon damals davon, einmal in diesem Stadion für England ein Tor zu schießen.

Sterling trifft im Wembley

Bei dieser Europameisterschaft ist ihm das nun schon dreimal gelungen. Den Gruppensieg in der Vorrunde sicherte der 26-Jährige den Three Lions mit seinen Toren gegen Kroatien (1:0) und Tschechien (1:0) praktisch im Alleingang. Auch beim 2:0-Erfolg im Achtelfinale gegen Deutschland war der Flügelstürmer von Manchester City zuletzt erfolgreich. Wenn Sterling trifft, dann bebt Wembley. So war es bei der EM bislang immer. «Ich habe immer gesagt, wenn ich bei einem großen Turnier in Wembley spiele, werde ich treffen – in meinem «back garden»», sagte er nach dem Auftaktsieg gegen die Kroaten.

In seinem Garten fühlt sich Sterling offenbar wohl. Dabei hätten Fans und Medien den Angreifer nicht mal zwingend in der Startelf von Trainer Gareth Southgate erwartet. England hat Offensivstars wie Phil Foden, Jadon Sancho, Jack Grealish oder Marcus Rashford. Also, mal ehrlich, dachten sich nicht wenige, warum sollte dann Sterling von Anfang an spielen? In Manchester hatte er zuvor eine schwierige Saison erlebt. Erst verlor er das Vertrauen von Trainer Pep Guardiola, dann in den wichtigen Spielen seinen Stammplatz an Foden. Immerhin im Champions-League-Finale durfte Sterling dann wieder starten: City verlor mit 0:1 gegen den FC Chelsea.

Stürmer spürt das Vertrauen von Southgate

Southgate hielt trotzdem immer an ihm fest. «Er ist ein Kämpfer», sagte der 50-Jährige nach dem Einzug ins EM-Viertelfinale. «Er hat eine unglaubliche Widerstandskraft und Ehrgeiz. In den letzten Jahren hat er diesen echten Torhunger entwickelt.» Jetzt ist Sterling der erst zweite Spieler in der Geschichte Englands, der bei einem großen Turnier die ersten drei Tore für die Three Lions erzielen konnte. Zuvor war dies nur Gary Lineker bei der WM 1986 gelungen. Aber anders als Lineker vor 35 Jahren in Mexiko darf Sterling bei dieser EM in seinem Wohnzimmer spielen. «Diese Tore in Wembley zu erzielen, wird etwas Besonderes für ihn gewesen sein», sagte Southgate.

Ob Sterling es bei einem großen Turnier auch auswärts kann, wird sich am Samstag (21.00 Uhr) zeigen. Dann dürfen die Engländer zum ersten Mal nicht in ihrer geliebten Heimspielstätte antreten, das Viertelfinale gegen die Ukraine findet stattdessen im Olympiastadion in Rom statt. Beim Erreichen des Halbfinals würde Sterling mit seiner Mannschaft dann in seinen Garten zurückkehren können, auch das Finale wird am 11. Juli in Wembley ausgetragen.

Er habe als Kind davon geträumt, «eines Tages der König von Wembley zu sein», sagte Sterling vor einigen Tagen. Charakterlich verändert hat er sich seit seinen jungen Jahren offenbar nicht. «Seine Karriere ist außergewöhnlich. Er ist immer noch der Gleiche, der er mit 16 war», erzählte Englands Torwart Jordan Pickford. Für sein soziales Engagement wurde Sterling zuletzt schon mit dem Ritterorden ausgezeichnet. Sollte er die Engländer in seinem Stadion zum EM-Titel schießen, würden sie ihm vielleicht auch eine Krone aufsetzen.

Von Nils Bastek, dpa
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