Giorgio Chiellini beendet seine Länderspielkarriere. (Urheber/Quelle/Verbreiter: -/LaPresse via ZUMA Press/dpa)

Da war es wieder, dieses breite Grinsen. Wenn Giorgio Chiellini über seinen Abschied von der italienischen Nationalmannschaft spricht, dann sind Wehmut oder gar Trauer ganz weit weg.

«Unvorstellbar» sei seine Karriere gewesen, sagte der Fußballer vor seinem letzten Länderspiel am 1. Juni, der «Finalissima» zwischen Europameister Italien und Südamerika-Champion Argentinien im Londoner Wembley-Stadion. Dort, wo Chiellini vor knapp einem Jahr den EM-Pokal in den Nachthimmel gestemmt hatte, geht nun eine außergewöhnliche Karriere zu Ende.

«Ich habe mir den größten Traum erfüllt», erzählte der 37-Jährige in dieser Woche auf seiner letzten Pressekonferenz als Nationalspieler. Natürlich strahlte er auch dabei, dieser kantige Verteidiger mit der Charakternase, dem Dreitagebart und dem fröhlichen Gemüt – bei dem Gegenspieler aber selten etwas zu lachen hatten. Das reizvolle Duell mit Lionel Messis Argentiniern wird Chiellinis 117. Länderspiel sein, fast zwei Dekaden nach dem Debüt bei den Azzurri. «Als Kind hätte ich nie daran denken oder gar darauf hoffen können, so weit zu kommen.»

«Notti magiche», die magischen Nächte der EM 2021

Der in Pisa geborene Fußballer war über AS Livorno und den AC Florenz 2005 zu Rekordchampion Juventus Turin gekommen, wo er in 17 Jahren eine Ära prägte mit neun Meistertiteln und fünf Pokalsiegen.

Für die ganz großen Triumphe reichte es lange nicht: Zweimal verloren die Turiner das Finale der Champions League, bei Weltmeisterschaften war Chiellinis Squadra Azzurra 2010 und 2014 eine Enttäuschung. In den Geschichtsbüchern des Turniers in Brasilien ist der Verteidiger dennoch verewigt, und zwar als Biss-Opfer von Uruguay-Star Luis Suarez – in jenem verrückten Moment verging selbst Chiellini das Lachen. 2018 und nun 2022 verpatzte Italien die Qualifikation für die WM. «Klar hätte ich meine Geschichte mit Weltmeisterschaften noch umschreiben wollen, leider hat das nicht geklappt», meinte Chiellini.

Er klang dabei aber nicht bitter, nein. «Ich glaube an Schicksal», erzählte der Familienvater, und dieses habe ihn ja schließlich noch die «notti magiche», die magischen Nächte der EM 2021, beschert. Nachdem Italien 2012 im Finale und 2016 im Viertelfinale ausgeschieden war, folgte 2021 in Wembley das große Happy End.

Motivator und «großer Bruder»

Bestimmt wäre Chiellini aber auch ohne diesen Erfolg zufrieden und glücklich in Richtung Fußball-Rente gegangen. Im Laufe der Karriere hatte er gelernt, seinen Job als großes Privileg anzuerkennen. Was er nach dem Abschied von der Nationalmannschaft und auch von Juventus nun mache, das sei nicht entschieden. Womöglich zieht es ihn für die Nachspielzeit seiner aktiven Karriere noch mal etwas weiter weg, die amerikanische MLS lockt. Nach der «Finalissima» stehe aber erstmals ein Besuch im Disneyland mit den zwei Töchtern auf dem Programm.

«Er wird uns fehlen, auf und neben dem Platz», sagte Torhüter Gianluigi Donnarumma über seinen EM-Capitano. «Er ist ein Bezugspunkt für den ganzen Fußball in Italien und auf der Welt, vor allem für uns junge Spieler.» Als Motivator und «großer Bruder» sah sich Chiellini selbst, seine nahbare und herzliche Art zeichnete ihn aus.

Dem Gegner gefiel das freilich nicht immer: Als Chiellini etwa im EM-Halbfinale beim Münzwurf vor dem Elfmeterschießen mit Jordi Alba rumflachste, ihn knuffte und dann sogar in eine Umarmung drängte, drehte sich Spaniens Kapitän sichtlich genervt weg.

«Das war keine Taktik. Ich genieße jeden Moment», sagte Chiellini. Das wird er auch gegen Argentinien in Wembley. «Ich wollte immer auf hohem Niveau aufhören», sagte er. «Und das habe ich nun geschafft.»

Von Manuel Schwarz, dpa
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