Will mit Manchester City den Königspokal holen: Pep Guardiola. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Jon Super/AP/dpa)

Höflich nahm Pep Guardiola nach der Landung auf dem Rollfeld den Blumenstrauß entgegen, doch das Objekt seiner Begierde ist in Istanbul ein anderes. Mit dem Henkelpokal in den Händen will der spanische Trainerstar am Sonntag wieder in den Flieger steigen, damit die ganze Fußballwelt sieht: Er kann es doch noch!

Zwölf Jahre läuft Guardiola seinem dritten Champions-League-Triumph schon hinterher, teilweise hat er sich beim Streben nach Perfektion auf spektakuläre Weise selbst ein Bein gestellt. Im Finale am Samstag (21.00 Uhr/ZDF und DAZN) mit Manchester City gegen Außenseiter Inter Mailand dürfte er auf waghalsige Experimente verzichten. Zu viel steht auf dem Spiel: das Titel-Triple und der Premierensieg für Man City – und auch sein persönlicher Ruf als Trainer-Genie.

«Wir müssen die Champions League gewinnen», sagte Guardiola kurz vor dem Showdown im Atatürk-Olympiastadion: «Früher oder später musst du in Europa gewinnen, um das nächste Level zu erreichen.» Die in dieser Saison bereits errungenen Titel in der Premier League und im FA Cup sind zwar schön. Doch die Sehnsucht des Clubs, der seit dem Einstieg der Scheichs aus Abu Dhabi 2008 geschätzt rund zwei Milliarden Euro für Transfers ausgegeben hat, ist die Champions League. «Ich werde daran gemessen, sie zu gewinnen», weiß Guardiola.

Fehleinschätzungen bei Bayern und City

Mit dem FC Barcelona gelang ihm das zweimal (2009 und 2011). Doch mit Man City und davor mit dem FC Bayern München verhinderten Pech und auch Guardiolas Fehleinschätzungen den großen Coup. Die britische Zeitung «Mirror» listete einen Tag vor dem Endspiel noch mal «Pep Guardiolas Champions-League-Misserfolge» auf. «The Independent» schrieb von der «City-itis», die auch Guardiola schon befallen habe: auf denkbar tragische Weise kurz vor dem Ziel der Träume scheitern.

Eine erneute Final-Demütigung für Guardiola wie vor zwei Jahren gegen den FC Chelsea plant diesmal Simone Inzaghi. Doch der Inter-Coach hält seinen Trainerkollegen so oder so für den «besten Trainer der Welt», der den modernen Fußball in zwei Epochen geteilt habe: «Vor- und Nach-Guardiola.» Auch vor Superstars wie Erling Haaland, Kevin De Bruyne und İlkay Gündoğan haben die Nerazzurri großen Respekt. «Aber gerade im Fußball gibt es Hunderte von Beispielen», sagte Mailands Flügelspieler Robin Gosens, «in denen der vermeintlich Kleinere den Größeren schlägt». Und Teamkollege Federico Dimarco verdeutlichte Inters vermutlich größte Siegchance: «Für uns ist das Finale ein Traum, für die eine Obsession.»

Der Druck für Manchester und speziell für Guardiola ist immens. Angesichts dessen dürfte der Trainer von der Erfolgs-bringenden Formation und Taktik nicht abweichen. Eine Schlüsselrolle kommt dabei Haaland zu, der den Ehrgeiz vor seinem ersten Königsklassen-Finale kaum noch zügeln kann. «Ich träume mein ganzes Leben davon, die Champions League zu gewinnen», sagte der norwegische Stoßstürmer, der vor der Saison von Borussia Dortmund als völlig neues Element im Spiel der Cityzens verpflichtet wurde. 52 Tore in 52 Pflichtspielen sind ein brillantes Saisonzeugnis – doch auch das würde ohne den Königsklassen-Triumph an Glanz verlieren.

Gündoğan will Triumph in der Heimat

Besonders emotional wird es für Gündoğan, der Manchester als Kapitän in seinem Lieblings-Wettbewerb ausgerechnet in der Heimat seiner türkischen Eltern aufs Feld führt. Zusätzliche Motivation zieht der Nationalspieler auch aus seinen Final-Niederlagen mit dem BVB (2013) und mit Man City (2021). Doch man dürfe «nicht überdrehen», warnte der 32-Jährige, dessen Vertrag am Saisonende ausläuft. Das Spiel mit dem Ball müsse «sehr korrekt, sehr genau sein – und es muss ihnen wehtun».

Inter will mit großer Leidensfähigkeit und mannschaftlicher Geschlossenheit dagegenhalten. «In wichtigen Spielen haben meine Jungs es immer geschafft, Energien freizusetzen, von denen wir dachten, sie nicht zu haben», sagte Trainer Inzaghi. Das Team um die früheren Bundesligaprofis Hakan Calhanoglu, Edin Dzeko und Henrich Mchitarjan ist eingespielt, diszipliniert, defensiv stark – und vorn gilt der argentinische Weltmeister Lautaro Martínez als Unterschiedsspieler.

Doch auf dem Papier ist der Kader des Gegners deutlich besser besetzt. Die Chancen für Man City und Guardiola auf ein Ende des Champions-League-Traumas stehen gut. «Wir mussten Gift schlucken, aber im Fußball und im Sport bekommst du immer eine weitere Chance», sagte Guardiola. Am Samstag sollte er sie aber auch nutzen, ansonsten fliegt der Trainerstar nur mit einem Blumenstrauß heim.

Von Jörg Soldwisch, dpa
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