Giulia Gwinn ist nach ihrem vor dreizehn Monaten erlittenen Kreuzbandriss inzwischen wieder «komplett beschwerdefrei». (Urheber/Quelle/Verbreiter: David Inderlied/dpa)

Irgendwo zwischen den Privat- und Trainingsfotos, die Giulia Gwinn gepostet hat, ist eines vom 19. September 2020. Da liegt die Nationalspielerin auf dem Rasen, hält sich das Knie und reckt einen Arm hilfesuchend nach oben. Der Kreuzbandriss hat ihr Leben verändert.

Jetzt ist die 22-Jährige vom FC Bayern München wieder zurück in der DFB-Auswahl. Und viele Augen in der Szene werden auf Gwinn gerichtet sein: Auf Instagram hat die als «Beste junge Spielerin» der WM 2019 ausgezeichnete Abwehrakteurin inzwischen eine Viertelmillion Follower – mehr als jede andere deutsche Fußballerin.

«Physisch und psychisch auf einem anderen Niveau»

#comebackstronger («Stärker zurückkommen») ist mittlerweile ein Standard-Statement in den sozialen Medien, wenn sich ein Sportler schwer verletzt. Gilt das wirklich? «Ich glaube schon, dass dieser Spruch irgendwie Sinn macht, aber ich finde es trotzdem blöd, wenn man es einfach nur sagt, weil es halt dieser Hashtag ist», sagte Gwinn im Interview der Deutschen Presse-Agentur. «Im Nachhinein kann ich schon sagen, dass man sehr, sehr viel lernen und auch Positives ziehen kann aus so einer Zeit. Ich glaube, physisch und psychisch bin ich auf einem anderen Niveau als ich vorher war.»

Beim deutschen Meister aus München hat sich Gwinn nach langer Leidenszeit wieder reingespielt in die Mannschaft. Nun gehört sie zum Aufgebot für die WM-Qualifikationsspiele der deutschen Frauen gegen Israel am 21. Oktober (21.00 Uhr/sportschau.de) in Petach Tikwa und am 26. Oktober (16.05 Uhr/ARD) in Essen. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg gab der Rückkehrerin gleich eine Einsatzgarantie: «Wir haben bei den Spielen im September auf Giulia verzichtet, damit sie im Verein mehr Rhythmus bekommt. Wir wollen sie nicht nur im Training, sondern auch im Spiel erleben.»

«Überglücklich» über die Nominierung»

Der Lockdown in der Corona-Zeit hat die Reha-Zeit für Gwinn nicht leichter gemacht. Aber in ihrer ebenfalls am Kreuzband verletzte Bayern-Kollegin Jovana Damnjanovic hatte sie eine treue Wegbegleiterin. Die Serbin sagt über «Giuli»: «Sie war der kleine, junge Superstar. Sie hat sich nie getraut, in einer großen Gruppe was zu sagen. Jetzt, ein Jahr später, ist sie echt erwachsener geworden.»

Gwinns Glück, so sagte sie selbst, war auch, dass die EM in England auf 2022 verschoben wurde. «Dadurch konnte ich meine Verletzung auch in Ruhe ausheilen lassen und hatte nicht die ganze Zeit ein Turnier im Kopf. Momentan lebe ich wirklich im Hier und Jetzt und erlebe das vielleicht auch intensiver als andere.» Komplett beschwerdefrei sei sie und «überglücklich» über die Nominierung für das Team des Olympiasiegers von 2016.

«Klar will man sich seinen Platz bei der Nationalmannschaft zurückholen. Es wäre gelogen, wenn es nicht so wäre», erklärte die Sportmanagement-Studentin. «Aber ich glaube, ich muss erst mal wieder reinfinden und mir auch die Zeit geben.»

19 Länderspiele hat Gwinn bisher gemacht, es sollen noch viele hinzukommen für die in Ailingen am Bodensee geborene Sportlerin, die mit 16 Jahren für den SC Freiburg ihr Bundesliga-Debüt gab.

Popularität erzeugt auch Neid

Über ihr schwieriges Jahr hat der FC Bayern sogar eine Doku gedreht: «Guilia Gwinn – 336 Tage». Im Sky-Beitrag «Meine Geschichte» erzählte sie davon, dass sie aufgrund ihrer Popularität im Frauenfußball auch Neid zu spüren bekommt. Es sei «ein schwieriges Thema mit Konkurrenz und so».

Auf Instagram zeigt sich Gwinn so, wie das junge Frauen in ihrem Alter eben oft tun: Im Kleid mit Leopardenmuster bei Sonnenuntergang, vor dem Spiegel oder mit knallrotem Top im Cabrio. Soziale Medien seien eine wichtige Plattform, aber: «Der Fokus soll immer auf mir als Fußballerin liegen. Es wird immer wieder private Einblicke geben, das ist jedoch nebensächlich.»

Von Ulrike John, dpa
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