St. Pauli will einen möglichen Aufstieg in die Fußball-Bundesliga nicht nur mit einer Fan-Party, sondern mit einem Aktionstag für Demokratie, gegen Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung feiern. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Marcus Brandt/dpa)

Natürlich Schalke 04. Dazu der Hamburger SV. Und vielleicht noch Hertha BSC. Ganz klar: Diese Saison in der 2. Fußball-Bundesliga hatte ihre eindeutigen und vor mehr als 50 000 Zuschauern spielenden Favoriten. Doch wenn an diesem Wochenende zwei Clubs den Erstliga-Aufstieg vorzeitig perfekt machen können, dann haben die ganz andere Namen. Dann sind das die beiden Nordclubs Holstein Kiel und FC St. Pauli – die große Überraschung und das über die gesamte Saison hinweg wohl beste Team dieser Liga.

«Die Vorfreude überwiegt alles», sagte Kiels Trainer Marcel Rapp vor dem Heimspiel gegen Fortuna Düsseldorf (Samstag, 20.30 Uhr/Sky und Sport1). Der Tabellendritte ist der einzige Konkurrent, der einen direkten Doppelaufstieg von Kiel und St. Pauli an den letzten beiden Spieltagen noch verhindern kann.

Denn noch sind mehrere Konstellationen denkbar: Sollte Spitzenreiter Holstein (64 Punkte) gegen Düsseldorf (59) gewinnen, stünden der eigene Aufstieg und der des FC St. Pauli (63) schon am Samstagabend fest. Sollte dieses Topspiel Unentschieden ausgehen, wäre Kiel schon vorzeitig durch, aber St. Pauli bräuchte am Sonntag noch einen Punkt beim eigenen Heimspiel gegen den Tabellenletzten VfL Osnabrück (13.30 Uhr/Sky). Mit einem Sieg in Kiel könnte Düsseldorf aber mindestens die «Störche» noch abfangen. Dann stünden die im letzten Spiel bei Hannover 96 am 19. Mai noch einmal unter Druck.

«Kiel und St. Pauli hätten den Aufstieg verdient»

Was auch immer an diesem Wochenende im Holstein-Stadion und am Millerntor passiert: Niemand zweifelt nach 32 Spieltagen mehr daran, dass Kiel und St. Pauli den Aufstieg verdient hätten. Keine anderen Clubs standen in dieser Saison häufiger auf den ersten beiden Tabellenplätzen. Bei niemandem sonst zahlten sich mutige Personalentscheidungen und solides Kostenmanagement in den vergangenen Monaten so aus.

14 Spieler gaben die Kieler vor dieser Saison ab. Der Tabellenerste der zweiten Liga ist ein völlig neu formiertes Team. Doch als Trainer Rapp am Tag vor dem Düsseldorf-Spiel die Qualitäten dieser Mannschaft aufzählen sollte, geriet der 45-Jährige ins Schwärmen: «Die Lust auf mehr. Die Lust, besser zu werden und immer einen Extra-Meter zu gehen. Füreinander da zu sein.» Das zeichne seine Mannschaft aus.

Das Stadion ist längst ausverkauft am Samstagabend. Die Kieler Anhänger werden schon am Nachmittag einen Fanmarsch dorthin starten. Doch einen Grund, die Nerven zu verlieren, die großen Erwartungen noch enttäuschen zu können – den sieht Rapp nicht.

Kiel wäre erster Bundesliga-Club aus Schleswig-Holstein

«Es ist wie in zwei Welten. Wenn ich mit Journalisten rede, dann geht es immer um mentale Dinge und die Frage: Was ist da im Kopf los? Aber wenn ich bei meiner Mannschaft bin, dann ist das gar kein Thema für uns. Dann sind wir ganz normal», sagte der Trainer. «Jeder Spieler hatte schon mal ein wichtiges Spiel. Und ich vergleiche das immer mit einem Schüler: Wenn ich in der Schule vor einer Arbeit nicht gut vorbereitet war, dann war ich halt nervös. Wenn ich mich darauf vorbereitet habe, dann hab‘ ich mich gefreut. So sehen wir das!»

Seit Jahren hat Holstein Kiel schon Trainer (Ole Werner) und Manager (Fabian Wohlgemuth) für die Bundesliga ausgebildet. Jetzt will ihnen endlich der gesamte Club dorthin folgen. Und der Unterschied zum FC St. Pauli besteht genau in dieser Größe und Aura des Clubs: Die Kieler wären der erste Bundesliga-Club überhaupt aus Schleswig-Holstein. St. Pauli dagegen hat eine Strahlkraft, die weit über Hamburg und Norddeutschland hinausreicht.

St. Pauli plant einen Aktionstag am Pfingstmontag

Die mögliche Aufstiegsfeier des Kiezclubs soll deshalb nicht nur eine reine Fanparty werden, sondern ein Aktionstag für Demokratie, gegen Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung am Pfingstmontag in der Hamburger Innenstadt. Seit 2011 wartet der FC St. Pauli auf die Rückkehr in die Bundesliga. Zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte könnte er dann in einer höheren Liga spielen als der große Stadtrivale HSV. Aber die Werte und die politischen Botschaften, denen sich der Club verpflichtet fühlt, haben sich seit fast 40 Jahren nicht geändert.

«Millerntor ist etwas Besonderes», sagte Fabian Hürzeler deshalb auch am Freitag. Und was für Holstein Kiel der große Umbruch war, bedeutete für den FC St. Pauli die Entscheidung, den damals 29-Jährigen im Dezember 2022 für Club-Ikone Timo Schultz zum Cheftrainer zu befördern. Damals waren die Hamburger Tabellen-15., jetzt stehen sie auch nach drei Niederlagen in den vergangenen fünf Spielen kurz vor dem Aufstieg. «Das ist die beste Mannschaft seit Jahren in dieser Liga», lobte selbst Mersad Selimbegovic, Trainer des Erzfeindes Hansa Rostock.

Sebastian Stiekel, dpa
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