Über die Fußball-WM in Katar wird heftig diskutiert. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Tom Weller/dpa)

Jahrelang wurde über die Fußball-WM in Katar diskutiert – und sie wurde doch angepfiffen. Die bislang 62 Spiele verliefen ohne größere Zwischenfälle. Und das, was außerhalb des Rasens geschah? Was ist geblieben von den Prognosen, den Befürchtungen vor dieser höchst umstrittenen Endrunde?

Prognose: Diese WM wird so politisch wie selten ein Turnier zuvor

Realität: Die deutsche Nationalelf hatte noch nicht einmal gespielt, da brach der Sturm um das Verbot der «One Love»-Kapitänsbinde los. Die FIFA wertete das Eintreten für Toleranz als «politische Botschaft». Auch die Menschenrechtslage in Katar und die toten Gastarbeiter auf den WM-Baustellen waren ein Dauerthema. International sorgten die Palästina-Fahnen der arabischen Fans für Aufsehen. Fußball und Politik lassen sich nicht mehr trennen.

Prognose: Diese WM wird von den deutschen Fans boykottiert

Realität: Die nur drei WM-Spiele der DFB-Auswahl verfolgte in den beiden Stadien eine sehr überschaubare Anzahl von angereisten deutschen Fans. In Doha gab es eine Fanbotschaft, aber keine Feiern in Schwarz-Rot-Gold. In Deutschland waren schwache Einschaltquoten das Zeugnis einer wachsenden Entfremdung von der Nationalmannschaft und massiver Kritik an dieser WM. Etliche Kneipen zeigten die Spiele aus Protest nicht.

Prognose: Diese WM wird vom Geld dominiert

Realität: Die Kosten für die Austragung der WM betrugen 2006 in Deutschland 4,3 Milliarden Dollar und 2018 in Russland 11,6 Milliarden. Das Investitionsvolumen in Katar liegt nach Medienberichten bei 220 Milliarden. Sechs von acht Stadien wurden neu gebaut und der Eindruck ist: Katar regelt alles mit Geld. Von bezahlten Fans bis zur Vizepräsidentin des EU-Parlaments, die wegen des Verdachts der Korruption durch Katar abgesetzt wurde.

Prognose: Diese WM wird sich vor Ort nicht echt anfühlen

Realität: Es war und ist ein zwiespältiges Bild in den Straßen von Doha. Zehntausende Fans aus Südamerika, Nordafrika und Saudi-Arabien sorgten für laute Stimmung bei zahlreichen Spielen. Auch Gastarbeiter in Katar begeisterten sich zu tausenden für dieses Turnier. Trotzdem wirkt vieles an dieser WM künstlich und inszeniert. Der orchestrierte Katar-Fanblock im Eröffnungsspiel wurde zur Lachnummer in Ländern mit langer Fußball-Tradition.

Prognose: Diese WM kann nicht gut organisiert sein

Realität: Der große Fan-Andrang in dieses kleine Land ließ Chaos befürchten. Doch Katar lieferte ab. Die Wege zu den Arenen sind kurz, An- und Abreise bestens organisiert. Von Zusammenstößen der Fangruppen ist nichts bekannt. Manchmal musste wegen des großen Andrangs eine U-Bahn-Station geschlossen werden. Mit Blick auf Bus und Bahn in Deutschland: Besser wird es bei der EM 2024 kaum funktionieren.

Prognose: Diese WM wird ein Turnier für den gesamten arabischen Raum

Realität: Die FIFA und das Organisationskomitee betonten immer wieder den verbindenden Charakter der ersten WM in diesem Teil der Erde. Oberflächlich betrachtet war der zu sehen. Mit Marokko, das Nordafrika und die weitere arabische Welt repräsentiert, fieberten plötzlich Tausende Menschen mit, auch in Doha selbst. Tiefergehende Konflikte wird diese WM aber kaum lösen. Das haben große Sportereignisse selten bis nie geschafft.

Prognose: Diese WM wird ein sportlich hohes Niveau haben

Realität: In Teilen stimmt das sogar. Superstar Lionel Messi spielt die beste WM seiner Karriere. Außenseiter Marokko hat ein taktisch wie individuell sehr starkes Team. Doch die Hoffnung, Stars seien fit, weil sie keine komplette Saison in den Knochen haben, erfüllte sich nicht pauschal. Viele Spieler verletzten sich bei der Terminhatz vor dem Turnier. Und viele Teams spielten aus Angst vor einem frühen Aus auch bei dieser WM sehr zögerlich.

Jan Mies, Miriam Schmidt, Sebastian Stiekel und Nils Bastek, dpa
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