DFB-Vizepräsident Ralph-Uwe Schaffer kritisiert die Einstellung von Nationalspielern. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Monika Skolimowska/dpa)

DFB-Vizepräsident Ralph-Uwe Schaffert hat mit erneuter scharfer Kritik an den deutschen Nationalspielern für viel Aufsehen und nicht nur bei Sportdirektor Rudi Völler für Unverständnis gesorgt.

«Es wäre mal an der Zeit, das spielende Personal radikal zu wechseln», sagte Schaffert in einem Interview der «Hannoverschen Allgemeinen Zeitung» und der «Neuen Presse» – und damit fing sich der Präsident des Norddeutschen sowie des Niedersächsischen Verbandes am Donnerstag gleich mehrere Konter ein.

Völler sagte der «Bild»-Zeitung, es sei zwar «schön, dass die Nationalmannschaft alle interessiert, und Kritik ist nach den letzten Spielen völlig in Ordnung. Aber die Art und Weise, unsere wichtigen Spieler so überzogen zu kritisieren, geht nicht». Weil Schaffert explizit auch Joshua Kimmich namentlich nannte, zeigte sich Bayern-Chef Jan-Christian Dreesen «mehr als irritiert».

Nicht Schafferts erste Kritik

Schaffert fiel nicht zum ersten Mal mit deutlicher Kritik auf. Dieses Mal warf der 67-Jährige vielen Nationalspielern knapp sechs Monate vor dem Beginn der Europameisterschaft im eigenen Land eine mangelnde Einstellung vor.

«Weil ich doch bei einer nicht ganz geringen Anzahl der zurzeit tätigen Spieler das Gefühl habe, dass man meint, vielleicht mit 85 Prozent des möglichen Einsatzes auf dem Platz auskommen zu können», sagte Schaffert. «Früher war es mal eine Ehre, für Deutschland zu spielen. Heute habe ich bei einem Großteil das Gefühl, es ist eine Belastung. Dann soll ich es doch lassen, wenn ich diese Einstellung habe.»

Völler äußerte, er könne sich gar nicht vorstellen, dass Schaffert das wirklich so gemeint habe. «Gerne werde ich ihm das noch mal bei einer Tasse Kaffee erklären», sagte der DFB-Sportdirektor. Zuvor hatte DFB-Sprecher Steffen Simon in einer ersten Reaktion zu den Ausführungen Schafferts gesagt: «Das Interview war nicht abgestimmt. Wir werden das intern aufarbeiten.»

Der DFB-Vizepräsident hatte zu Beginn dieses Jahres für Wirbel gesorgt, als er die Nationalspieler beim Neujahrsempfang seines Heimat-Kreisverbands Hildesheim für deren Verhalten während der Weltmeisterschaft in Katar kritisiert hatte. «Wenn sich die deutschen Nationalspieler wie Äffchen die Münder zuhalten und sich den Friseur ins Hotel bestellen, muss man sich nicht wundern, wenn sie gegen Japan verlieren», hatte der mächtigste norddeutsche Fußball-Funktionär seinerzeit gesagt.

Schaffert kritisiert Kimmich und Gündogan

Vor der 1:2-Auftaktniederlage bei der WM gegen Japan hatten sich die Nationalspieler demonstrativ den Mund zugehalten. Sie wollten damit gegen das Verbot der «One Love»-Kapitänsbinde durch den Weltverband FIFA protestieren. Später entschuldigte sich Schaffert für den Äffchen-Vergleich und wurde von seinem DFB-Präsidiumskollegen Ronny Zimmermann öffentlich zu einem «fairen Umgang» ermahnt.

Und nun die neue Kritik des Juristen, der fast 25 Jahre als Richter am Oberlandesgericht Celle tätig war. Namentlich nannte Schaffert in dem Interview Kimmich (Bayern München) und Ilkay Gündogan (FC Barcelona). Kimmich sei «den Beweis bisher schuldig geblieben», ein Führungsspieler zu sein. «Auch im Verein.» Dreesen konterte: «Es ist nicht nachvollziehbar, wenn der Vizepräsident des DFB die Leistungen eines verdienten und wichtigen Nationalspielers wie Joshua Kimmich in dessen Club kritisiert.» Schaffert erweise der DFB-Auswahl «einen Bärendienst».

Bei Nationalmannschafts-Kapitän Gündogan sei es so, dass er «seltsamerweise im Verein überragend spielt und der dann in der Nationalmannschaft so spielt, dass man auf die Idee kommen könnte: Hat der jetzt seinen minderbegabten Zwillingsbruder geschickt?», sagte Schaffert. Grundsätzlich müsse man bei der Nationalmannschaft überlegen: «Wir brauchen vielleicht nicht mehr nur die Hochbegabten, sondern vielleicht auch mal die, die bereit sind, die Ärmel hochzukrempeln.»

Lob für Nagelsmann

Unabhängig von seiner Kritik an den Nationalspielern sieht Schaffert aber auch ein Problem des DFB: Als Verband sei man bei der Suche nach einem neuen Trainer nicht mehr in der Lage, mit den Summen mitzuhalten, die im Clubfußball gezahlt werden. «Der nächste Bundestrainer wird nicht mehr das bekommen, was ein Hansi Flick be­kom­men hat – weil sich der DFB das nicht mehr leisten kann», sagte Schaffert. «Sie haben doch kaum noch einen Bundesliga-Trainer, der weniger als eine Million verdient. Das ist alles so durch die Decke geknallt, dass man es kaum zurückschrauben kann.»

Der aktuelle Bundestrainer Julian Nagelsmann kommt bei dem DFB-Vize jedoch gut weg. «Mich persönlich hat Julian Nagelsmann – er hat sich ja vorgestellt bei uns in Aufsichtsrat und Präsidium – schon überzeugt», sagte Schaffert. «Ich glaube, dass das von allen in Betracht kommenden Variationen die beste war.»

Sebastian Stiekel und Jens Marx, dpa
Folge uns

Von