Brasilien-Stürmer Neymar liegt nach einem Foul verletzt am Boden. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Robert Michael/dpa)

Da war es wieder, das Drama in Person. Diesmal humpelte Neymar mit goldenen Kopfhörern auf den Ohren durch die Katakomben des Lusail Stadions in Katar, die Unterschenkel steckten in schwarzen Kompressionsstrümpfen.

Den Blick hielt er gesenkt, ernste Miene, zur Schwere seiner Sprunggelenkblessur wollte er nichts sagen. Auch deshalb fragen sich nun nicht nur die Brasilianer: War’s das schon mit der WM? Geht der persönliche Turnierfluch des 30 Jahre alten Fußball-Superstars weiter? Sicher ist zunächst nur: Im nächsten Spiel am Montag gegen die Schweiz steht er der Seleção wegen einer Bänderverletzung nicht zur Verfügung.

«Heute ist einer der schwierigsten Momente in meiner Karriere», schrieb Neymar auf Instagram, «und das schon wieder bei einer WM». Es tue ihm weh, «aber ich bin mir sicher, dass ich die Chance haben werde zurückzukehren». Er sei der «Sohn des Gottes des Unmöglichen».

Auch Rechtsverteidiger Danilo, der sich beim 2:0-Auftaktsieg gegen Serbien ebenfalls am Sprunggelenk verletzt hatte, fällt für das Spiel gegen die Schweiz aus. «Aber sie bleiben für die WM in Behandlung», sagte Teamarzt Rodrigo Lasmar. Wie lange die beiden Profis genau ausfallen, bleibt unklar. Brasilianische Medien berichteten übereinstimmend davon, dass sogar die komplette Gruppenphase für sie gelaufen sei. Demnach würden sie auch in einer Woche gegen Kamerun nicht zum Einsatz kommen können. Beide sollen in den kommenden Tagen physiotherapeutisch behandelt werden.

Neymars Turnierfluch geht weiter

Eine erste Diagnose zu Neymar hatte es schon unmittelbar nach dem Serbien-Spiel gegeben: Fußgelenk geschwollen und ein Ödem. Die Verletzung nun passt gewissermaßen zum persönlichen Turnierfluch des Superstars. Beim Heim-Turnier 2014 hatte ihm der Kolumbianer Juan Camilo Zúñiga sein Knie derart heftig in den Rücken gerammt, dass er sich einen Wirbelbruch zuzog. Neymar verpasste das 1:7 gegen Deutschland im Halbfinale. 2018 reiste er nach einem Mittelfußbruch alles andere als in Topform zum Turnier in Russland, wo er primär durch seine Fallsucht auffiel. Brasilien schied im Viertelfinale aus. Beim Gewinn der Copa América 2019 fehlte er verletzt. Und jetzt?

«Wir sind zuversichtlich, dass er bei dieser WM weiterspielen kann. Er wird diese WM fortsetzen», hatte Nationaltrainer Tite trotzig angekündigt. Ob das tatsächlich so ist, werden aber wohl erst die nächsten Tage zeigen. Falls nötig, werde man auch Röntgenbilder machen, sagte Teamarzt Lasmar. Erst mal soll der Fuß Neymars nun aber per Physiotherapie behandelt werden.

Thiago Silva: «Das sind Dinge, die passieren»

An personellen Alternativen mangelt es Tite nicht. Als Neymar verletzungsbedingt raus musste, brachte der 61-Jährige den ebenfalls hoch veranlagten Dribbelkünstler Antony von Manchester United. Außerdem wären da noch Rodrygo von Real Madrid, Gabriel Martinelli oder Gabriel Jesus vom FC Arsenal und der ebenfalls für Man United spielende Fred. Und dass Brasilien auch ohne Neymar große Titel gewinnen kann, ist spätestens seit der Copa vor drei Jahren klar. Trotzdem bangt die Seleção.

«Wir hoffen, dass es nichts Großes ist», sagte Kapitän Thiago Silva. «Es ist normal, dass er ein bisschen traurig ist angesichts der Situation. Aber das sind Dinge, die passieren. Wir sind bei ihm. Und wenn er gegen die Schweiz noch nicht wieder fit ist, dann eben beim letzten Spiel gegen Kamerun.» Bis dahin wollen die Brasilianer im Idealfall schon die Qualifikation für das Achtelfinale sicher haben.

Dass sie auf dem besten Weg dorthin sind, liegt vor allem an Richarlison. Mit einem Doppelpack hatte der Angreifer der Tottenham Hotspur die Serben praktisch im Alleingang besiegt. Sein erster Treffer (62. Minute) war ein trockener Abstauber, der zweite dafür umso spektakulärer. Auf Vorarbeit von Vincius Júnior legte er sich den Ball selbst hoch und hämmerte ihn anschließend per Seitfallzieher ins Netz. «Ich denke, das war eines der schönsten Tore, die ich je geschossen habe», sagte er. Es wird auch sicher eines der schönsten dieses Turniers bleiben. Trotzdem drehte sich am Ende fast alles um Neymar.

Nils Bastek, dpa
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