Herthas Trainer Pal Dardai steht mit seinem Team vor dem Abstieg.. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Federico Gambarini/dpa)

Es ehrt Pal Dardai, dass er keine Lust auf unglaubwürdige Durchhalteparolen hatte. Die Ausführungen des Trainers von Hertha BSC nach dem 2:5 beim 1. FC Köln waren nicht weniger als eine erste Abschiedsrede auf die Fußball-Bundesliga.

Breitflächig sprach Dardai seinem Team die Qualität ab. Zu wenig Tempo, ja sogar zu wenig Mentalität – so ist die Klasse nicht zu halten. «Die Mannschaft ist eben so eingekauft worden», sagte der Ungar resignierend. 

Den Finger nur auf andere zu zeigen, die vor seiner dritten Rettungsmission im Management der Berliner seit Jahren Fehler um Fehler machten, ist aber nicht Dardais Art. Er räumte auch selbst ein entscheidendes Versäumnis ein. Nämlich, die Mannschaft offenbar überschätzt zu haben. «Ich suche den Fehler bei mir», sagte der 47-Jährige: «Vielleicht habe ich zu viel über offensiven Fußball geredet. Ich hatte das Gefühl, die defensive Stabilität sei da. Aber wenn die Kölner Tempo gegangen sind, hatten wir ein Riesen-Defizit. Wir haben eben nicht die Schnelligkeit und nicht die Zweikampfführung. Jeden Sprint über 30 Meter konnten wir nicht mithalten.»

Dardai: «Schauen, was am Wochenende passiert»

Die Qualität ist eines, doch noch schlimmer war der Vorwurf der mangelnden Einstellung. «Wir haben ein riesiges Mentalitätsproblem», stellte der Trainer fest: «Wahrscheinlich muss ich weiter streng bleiben.» Beim Blick auf die Statistik schüttelte er immer wieder mit dem Kopf. Bei den Kölnern, die in fünf Heimspielen zusammen zuvor ein Tor erzielten, hatten sie nicht nur wie vor Dardais Rückkehr beim 2:5 beim FC Schalke 04 schon wieder fünf Gegentore kassiert. Angesichts von zwei weiteren Pfostentreffern, 31 Torschüssen und einer starken Leistung von Hertha-Keeper Oliver Christensen hätte es sogar ein denkwürdiges Debakel werden können. 

Deshalb wäre Dardai sich wohl albern vorgekommen, nach diesem Auftritt des Tabellenletzten vom Klassenerhalt zu sprechen. «Wir dürfen nicht labern oder erzählen», sagte er: «Wir müssen einfach den Mund halten und schauen, was am Wochenende passiert. Dann machen wir am Montag eine Analyse. Und wenn wir dann noch eine Chance haben, müssen wir uns vorbereiten auf Bochum.»

Beschwichtigende Argumente, sein Team habe ja 2:1 geführt und durch Jessic Ngankam auch das 3:3 auf dem Fuß gehabt, ließ Dardai nicht gelten. «Wir haben zwei schöne Tore erzielt, aber wir haben hier nix verdient», sagte er: «Und darüber zu reden, dass Jessic vielleicht das 3:3 macht, ist großer Quatsch.» Charakterlich sei die Mannschaft in Ordnung. «Sie halten zusammen, da ist kein böser Junge dabei», sagte der Trainer: «Aber auf dem Platz habe ich da heute nichts gesehen.»

Brisante Hertha-Mitgliederversammlung

Weiter verschärfen könnte sich die Stimmung beim Hauptstadt-Club am Sonntag bei der Mitgliederversammlung. Denn nicht nur sportlich steht der Hertha das Wasser bis zum Hals, sondern auch finanziell. Die Lizenz – auch für die 2. Bundesliga – ist noch nicht bestätigt. «Wir befinden uns in einem Restrukturierungsprozess. Wir müssen Personalkosten grundsätzlich abbauen», sagte Sportdirektor Benjamin Weber. 

Es dürfte turbulent werden in der Berliner Messehalle. Ein Abwahlantrag gegen das gesamte Präsidium von einem Mitglied kommt eher aus der Kategorie Vereinsmeierei und Kabarett. Aber nach dem geräuschvollen Rücktritt von Langzeit-Führungsmitglied Ingmar Pering sind hitzige Debatten – auch um die Rolle von Präsident Kay Bernstein – programmiert. Durchhalteparolen werden auch dem bei den Fans eigentlich beliebten Club-Chef nichts nutzen.

Holger Schmidt, Ann-Marie Utz und Arne Richter, dpa
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