Führt Brasiliens Kader beim Copa América: Neymar (r) mit seinem Teamkollegen Richarlison. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Jorge Saenz/AP/dpa)

Beim 2:0 gegen Paraguay war Neymar der Mann des Spiels, aber auch außerhalb des Platzes übernahm der Fußball-Superstar wieder eine Führungsrolle.

Zusammen mit Nationalmannschaftskapitän Casemiro und Marquinhos soll der 29-Jährige der Zeitung «Folha de S. Paulo» zufolge einer der Köpfe hinter dem Appell gegen die Copa América in Brasilien sein.

Darin übten sie Kritik, bestätigten allerdings auch ihre Teilnahme. «Wir sind gegen die Organisation der Copa América, aber wir werden niemals nein zur brasilianischen Nationalmannschaft sagen», hieß es darin. Doch nun schien auf einmal gar nicht mehr sicher zu sein, ob das Turnier in Brasilien überhaupt stattfinden darf.

Neymar führt auch den Kader der Seleção für die Copa América an, den Nationaltrainer Tite benannte. Er besteht weitgehend aus den Akteuren um Brasiliens Nummer 10, die auch für die WM-Qualifikationsspiele gegen Ecuador und Paraguay nominiert waren.

Die Brasilianische Sozialistische Partei und eine Metallarbeiter-Gewerkschaft hatten den Antrag eingebracht. Sie argumentieren, dass Brasilien keine internationalen Sportveranstaltungen ausrichten solle, solange wegen der Corona-Pandemie Maßnahmen zur sozialen Distanzierung gefordert sind. Es war die jüngste Wendung in rund zwei turbulenten Wochen für die Seleção und Superstar Neymar.

Kaum war er im Trainingslager in Teresópolis angekommen, da berichtete das «Wall Street Journal», Nike habe die Partnerschaft mit Neymar im vergangenen Jahr nach schweren Anschuldigungen gegen den Brasilianer aufgelöst. Dem 29-Jährigen wurde vorgeworfen, nicht bei einer Untersuchung kooperiert zu haben, was er als «absolute Lüge» bezeichnete. Laut Nike hat eine Mitarbeiterin des Unternehmens Neymar eines sexuellen Übergriffs beschuldigt. Neymar hat die Vorwürfe zurückgewiesen, wie seine Sprecherin auf dpa-Anfrage mitteilte. Die Zusammenarbeit mit Nike sei aus geschäftlichen Gründen vorzeitig beendet worden.

Seine Auswahlkollegen Felipe und Emerson wurden in der ersten Pressekonferenz der Seleção dazu befragt. Sie wichen aus, verwiesen auf die «persönliche Angelegenheit» für Neymar; auch Nationaltrainer Tite wollte nicht tiefer in das Thema einsteigen. Neymar sprach gar nicht. Antworten auf die Anschuldigungen überließ er den Anwälten – und seinem Vater, der sich seit dessen jungen Jahren um Neymar und seine Karriere kümmert.

Der Wirbel um Neymar wurde schon bald überlagert durch die Turbulenzen um die Copa América und die Krise im brasilianischen Fußballverband CBF. Argentinien, das besonders unter der zweiten Corona-Welle leidet, zog sich als Gastgeber zurück; Brasilien, selbst ein Corona-Brennpunkt, übernahm. Die Kritik war heftig.

Zwar laufen auch südamerikanische Clubwettbewerbe wie die Copa Libertadores und die Südamerikameisterschaft soll ohne Publikum stattfinden, der südamerikanische Fußball-Verband Conmebol impfte tausende Sportler. Die Spieler dürfen das Hotel nur zum Training oder aus gesundheitlichen Gründen verlassen.

In der brasilianischen Nationalmannschaft entbrannte eine Debatte um die Teilnahme, Neymar soll dem Sportportal «Globoesporte» und der «Folha» zufolge auch mit führenden Spielern anderer Teams Kontakt aufgenommen haben.

Zu einer gemeinsamen Linie kamen sie nicht, auch weil ein Boykott des Turniers für andere Auswahlspieler nicht so leicht ist wie für den teuersten Spieler der Welt, der mit Paris Saint-Germain jüngst bis 2025 verlängerte. Vor allem jene, die in Südamerika unter Vertrag stehen, sehen in der Copa ein Schaufenster.

Nun ist also das oberste Gericht an der Reihe. Quellen in Brasília, auf die sich die Zeitung «O Globo» beruft, gehen davon aus, dass das Gericht entscheiden wird, wie es auch zu Beginn der Pandemie entschieden hat: Als Präsident Jair Bolsonaro keine Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus treffen wollte, übertrug es die Kompetenzen an Bundesstaaten und Gemeinden.

Die Gouverneure der vier Bundesstaaten mit den Spielstätten der Copa América sind Verbündete des Rechtspopulisten Bolsonaro. Conmebol und CBF sollen dennoch angefragt haben, wie im Fall einer Berufung vorzugehen sei.

Von Martina Farmbauer, dpa
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