Bayern Münchens Ehrenpräsident Uli Hoeneß verfolgt die Jahreshauptversammlung. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Ulrich Gamel/kolbert-press/dpa)

Uli Hoeneß stand schon oben am Rednerpult – und resignierte vor den Tumulten in der Halle. «Wir sind Bayern – und ihr nicht», riefen wutentbrannte Mitglieder. Und auch: «Wir sind die Fans, die ihr nicht wollt.»

Der Ehrenpräsident, der die denkwürdige Jahreshauptversammlung seines FC Bayern München über Stunden wenige Sitzplätze neben dem ebenfalls bis zum schlimmen Ende ausharrenden Trainer Julian Nagelsmann schweigend unter seiner FFP-Maske verfolgt hatte, verließ das Podium dann doch wortlos.

Uli Hoeneß sprachlos – wann hat es das beim Fußball-Rekordmeister jemals gegeben? Beim Abgang sagte der 69-Jährige verstört und beschämt: «Das war die schlimmste Veranstaltung, die ich je beim FC Bayern erlebt habe.»

Nagelsmann harrt aus

Das programmierte Reizthema Katar löste beim Mitgliederkonvent unter besonderen Corona-Bedingungen einen Aufruhr der Fan-Opposition mit Pfiffen und Buhrufen gegen die Bosse aus. Nagelsmann, der bis zum Ende ausharrte und erst gegen 2.30 Uhr in der Nacht ins Bett kam, verspürte «eine leicht aggressive Stimmung, so dass der eine oder andere Ordnungsdienstmitarbeiter mich lieber früher als später rausbegleitet hätte», wie der 34-Jährige am Freitag erzählte.

Diskussionen seien wichtig und müssten geführt werden, aber auf sachlicher Ebene, mahnte der Bayern-Trainer. «Die wichtigste Botschaft ist, dass nicht das Gefühl entstehen darf, dass da irgendwie Lage gegeneinander kämpfen», sagte Nagelsmann. Er riet, in anderem Rahmen kontrovers und transparent darüber zu diskutieren. «Wenn man mit seiner Lebensgefährtin oder seinem Kumpel einen Streit ausficht, ist es auch gut, dass man das nicht auf dem Marienplatz macht.» Besser sei eine privatere Atmosphäre, «vielleicht auch mit einem Mediator», sagte der Coach am Tag vor dem Bundesliga-Heimspiel der Bayern gegen Arminia Bielefeld am Samstagabend (18.30 Uhr).

Der Mitglieder-Zorn in der Versammlung hatte vor allem Präsident Herbert Hainer getroffen. Der frühere Adidas-Chef, der aus der Welt der Aktionärsversammlungen kommt, verkannte kurz nach Mitternacht die Situation endgültig, als er sich nach «einem langen Tag» das Recht als «Versammlungsleiter» herausnahm, «dass ich die Wortmeldungsliste schließen kann» – und damit die gesamte Veranstaltung.

Desaster für Hainer

Lautstarke «Hainer raus, Hainer raus»-Rufe hallten durch den Audi Dome. «Sag einmal, was ist denn los», brummelte Hainer perplex ins Mikro. Es war ein Desaster für den Verein, besonders für den Hoeneß-Nachfolger. Der Vereinsführung war der Abend entglitten.

Ein Spontanantrag des Mitglieds Michael Ott zur Abstimmung über die Beendigung der umstrittenen Partnerschaft mit der Fluglinie Qatar Airways spätestens 2023 schmetterte die Vereinsführung mit Verweis auf zuvor getroffene Entscheidung des Landgerichtes München I ab. «Sie können gerne buhen. Ich werde hier nicht zulassen, dass wir über rechtswidrige Anträge abstimmen», sagte Vizepräsident Dieter Mayer.

Bayern-Fan Ott sprach später von einem «Offenbarungseid». Er beklagte im ARD-Hörfunk ein «sehr eigenartiges Demokratieverständnis, wenn man so eine Debatte niederringt und vor kritischen Beiträgen flieht». Am Tag danach sagte er dem Sender Sport1: «Die Beziehung zwischen dem FC Bayern und vielen seiner Fans bröckelt immer weiter. Das Auftreten der Bosse war ein ziemlicher Offenbarungseid.»

Bizarre Szenen

Der Abend war eine Niederlage für die Bosse um den erstmals als Vorstandschef auftretenden Oliver Kahn, der Poltern vermied und versprach: «Wir haben klare Kriterien, an denen wir Partnerschaften ausrichten. Es gibt Compliance-Anforderungen, die schauen wir uns genau an. So werden wir das auch mit Qatar Airways machen.»

Nach Hainers Redestopp stellte sich ein Mitglied sogar einfach auf einen Stuhl und sprach halt ohne Mikrofon. Es waren bizarre Szenen. Erst lief es wie gewohnt, auch wenn Corona den Rekordmeister gerade sportlich und seit Frühjahr 2020 finanziell ausdauernd belastet. Der Umsatz schrumpfte auf 643,9 Millionen Euro, aber es gab (noch) keine roten Zahlen.

Spätestens beim Tagesordnungspunkt Anträge kochte die Stimmung hoch, eskalierte die Konfrontation in der Halle. Auch Otts zweiter Antrag, dass der Verein weiter 75 Prozent der Anteile an der FC Bayern AG halten soll und nicht noch fünf Prozent veräußern könnte, verfehlte die erforderliche Dreiviertelmehrheit. Die Proteste nahmen zu.

Viele Gegner des Katar-Sponsorings

Wegen der 2G-plus-Einlassregeln (geimpft oder genesen und getestet) waren nicht mal 800 Mitglieder anwesend, darunter viele Gegner des Katar-Sponsorings. Und nicht das übliche Vereinsvolk, das Hoeneß und Kahn-Vorgänger Karl-Heinz Rummenigge über viele Jahre stets gefolgt war. Mehr als 290.000 Mitglieder zählt der FC Bayern. Das sei «nicht die repräsentativste Meinung» gewesen, meinte Nagelsmann. In dem einen oder anderen Vorschlag stecke aber eben auch eine Chance.

«Wir als Verein stellen uns jedem Diskurs», sagte Hainer zwar. Aber in der Causa Katar und Menschenrechte vermissten viele Mitglieder genau das. Die Geschäftsbeziehung mit dem Emirat und Gastgeberland der Fußball-WM 2022 spaltet. «Wir haben bei weitem nicht entschieden, dass wir mit Katar weitermachen. Noch hat Katar entschieden, mit uns weiterzumachen», sagte Hainer und verkündete: «Natürlich werden wir den Vertrag, den der FC Bayern eingegangen ist, erfüllen.» Corona, Katar, Image – die Welt des FC Bayern scheint gerade aus den Fugen.

Von Klaus Bergmann und Christian Kunz, dpa
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