Torschütze Leon Goretzka (r) im Austausch mit Joshua Kimmich (M) und Konrad Laimer. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Arne Dedert/dpa)

Ein Sieg des FC Bayern, begleitet von Sticheleien zwischen Thomas Tuchel und Uli Hoeneß, bietet an normalen Tagen genügend Fußball-Gesprächsstoff für ein ganzes Wochenende.

Allein die Emotionen des israelischen Torwarts Daniel Peretz beim 3:1 in Mainz und die scharfe Kritik im «Sportstudio» an den Münchnern bekräftigten aber, dass der Rekordmeister im Ringen um den richtigen Umgang mit dem Nahost-Konflikt und Noussair Mazraoui von Normalität weit entfernt ist. «Absolut indiskutabel und inakzeptabel», nannte Alon Meyer, der Präsident von Makkabi Deutschland, im ZDF das Vorgehen der Bayern.

Die Entscheidung, Mazraoui nach dessen pro-palästinensischem Social-Media-Beitrag nicht zu suspendieren, wird die Bayern noch länger begleiten. Zumal die Mainzer bei ihrem Profi Anwar El Ghazi anders entschieden hatten. Tuchel war auf die Fragen vorbereitet, er erklärte, jeder Fall müsse «einzeln betrachtet werden. Ich denke, wir müssen uns hüten, pauschal zu urteilen.» Mazraoui habe Reue gezeigt. «Sonst wäre die Entscheidung so definitiv nicht möglich gewesen.»

Meyer war als Vorsitzender des deutsch-jüdischen Sportverbandes der Hauptgesprächspartner im ZDF, auch in den TV-Runden ging es vorrangig um die Frage, was richtig und was falsch ist in der Debatte. Meyer verwies darauf, dass in Mazraouis Stellungnahme mit keinem Wort das Geschehen vom 7. Oktober erwähnt worden sei, als Terroristen der im Gazastreifen herrschenden Hamas in Israel ein Massaker unter Zivilisten angerichtet hatten.

«Sie konterkarieren unsere Arbeit»

«Wenn die Spitzensportler, wenn die Vorzeigesportler dieses Vereins, die Millionen verdienen, so etwas posten. Sie konterkarieren unsere Arbeit, die wir taktisch machen. Wir bauen Brücken, wir wollen Vorurteile abbauen und die werden hier mit einem Post mit Füßen getreten», sagte Meyer, der die Mainzer lobte. Der Club stehe am Tabellenende, könne jeden Spieler gebrauchen und habe trotzdem Zivilcourage gezeigt, «hier ein klares Zeichen zu setzen».

Im besonderen Maße sind die Bayern gefragt, weil sie in Peretz einen israelischen Spieler unter Vertrag haben. Der Ersatztorwart war während der TV-Übertragung der Partie ungewohnt oft zu sehen. Während der Schweigeminute für die Opfer des Konflikts stand er mit Tränen in den Augen neben seinen Teamkollegen. «Ich habe es auf der Leinwand gesehen. Er bangt Tag und Nacht um seine Familie und Freunde», sagte Tuchel: «Da möchte man nicht tauschen und in seiner Haut stecken.» Man werde ihm «so viel Schutzraum wie möglich» im Team geben.

Diplomatisch wie beim heiklen Thema Mazraoui gab sich Tuchel auch angesichts der fortwährenden Verletzungsnöte und des Rüffels von Ehrenpräsident Hoeneß. Zuvor hatte Tuchel Kritik an dem seiner Meinung nach zu dünn besetzten Bayern-Kader geäußert. «Es wird viel daraus gemacht, wenn Uli spricht», betonte er mit Bezug auf eine Aussprache mit Hoeneß. «Es ist ausgeräumt zwischen uns, weil wir uns regelmäßig gegenseitig in die Augen schauen und uns sagen, wo wir stehen und welches Gefühl wir haben.»

Personalsorgen nicht kleiner geworden

Dabei sind seine Personalsorgen nach dem Sieg durch die Treffer von Kingsley Coman (11. Minute), Harry Kane (16.) und Leon Goretzka (59.) bei einem Gegentor des Mainzers Anthony Caci (43.) nicht kleiner geworden. Vor dem Champions-League-Spiel am Dienstag bei Galatasaray Istanbul ist der Einsatz von Goretzka fraglich. Mit einer Handverletzung musste der Nationalspieler vom Platz. «Es kann etwas Schlimmeres sein. Ich habe noch keine Diagnose», so Tuchel. Serge Gnabry und Dayot Upamecano werden ausfallen. Für Raphaël Guerreiro und Mazraoui werde es «ganz eng» werden.

Wie minimal Tuchels Optionen bei den nächsten Aufstellungen ist, zeigt das Beispiel Matthijs de Ligt. Der 24 Jahre alte Verteidiger hatte vor dem Mainz-Spiel verletzt pausiert und muss in Istanbul wieder ran. «Es gibt keine andere Wahl. Das wird so bleiben und sich nicht mehr ändern», mutmaßte Tuchel. «Wir versuchen, alle in Watte zu packen.»

Als gute Nachricht kann Tuchel weiter verbuchen, dass bald das Comeback von Manuel Neuer im Tor ansteht. Der zuletzt herausragende Sven Ulreich darf noch einmal bei Galatasaray ran, in der Bundesliga am Samstag gegen den SV Darmstadt 98 könnte es dann aber für Neuer so weit sein. «Ich freue mich riesig für ihn, da ich ihn als Mensch sehr schätze», betonte Ulreich. «Ich setze mich dann auf die Bank und werde Manu unterstützen.»

Von Andreas Schirmer, dpa
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