Vor den mitgereisten Fans feiern die Spieler des 1. FC Köln das 2:0 beim Fehérvár FC. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Marton Monus/dpa)

Steffen Baumgart hatte eine Vorahnung. «Vor dem Spiel hat er gesagt, seine Zündschnur sei heute kurz.

Und hat gefragt, ob jemand die länger machen kann», verriet Geschäftsführer Christian Keller nach dem 3:0 des 1. FC Köln im Playoff-Rückspiel zur Conference League am Donnerstagabend beim Fehérvár FC lachend: «Und sie hat ja sogar ziemlich bis zum Schluss gehalten.»

Schwäbe: «So kennen wir ihn»

Doch in der 90. Minute wurde Baumgart zum Vulkan: Er riss sich die Schiebermütze vom Kopf, lief wild gestikulierend aufs Spielfeld und holte sich nacheinander Gelb und dann Gelb-Rot ab. Und nach dem Schlusspfiff feierte er zappelnd, tanzend und jubelnd vor der Kurve. «So habe ich ihn noch nicht erlebt», sagte Florian Kainz, der den FC in Ungarn als Kapitän aufs Feld geführt hatte, mit einem Schmunzeln. Und auch Marvin Schwäbe fand die Leidenschaft seines Trainers bemerkenswert. «Vor allem, wenn man sieht, dass er danach auf der Tribüne auf und ab läuft, weil er sich nicht beruhigen kann. Das ist schon geil», sagte der Torhüter: «So kennen wir ihn. So ist er. Und diese Leidenschaft und dieses Feuer gibt er an uns weiter.»

Deshalb verzeiht es ihm jeder auch, wenn er zum Rumpelstilzchen wird und über das Ziel hinausschießt. «Er weiß auch, dass es die Gelb-Rote nicht gebraucht hätte, zumal sie eine Konsequenz nach sich ziehen wird», sagte Keller: «Aber das zeigt, wie er unter Strom steht. Das muss man ihm nachsehen.»

Wie die UEFA bestätigte, wird Baumgart im ersten Gruppenspiel gesperrt sein. Gelbe Karten und entsprechende Sperren werden nach den Playoffs gelöscht, Platzverweise aber nicht. Der Trainer konnte mit etwas Abstand dennoch selbst über seinen Ausraster lächeln. «Ich gehe jetzt in die Kabine, werde runterfahren und in mich reinschmunzeln», sagte er.

Köln freut sich auf «Europacup-Festtage»

Gegen wen Baumgart ein Innenraumverbot bekommt, ist wie die genaue Ansetzung noch unklar. Doch die Gruppe ist mit OGC Nizza mit Trainer Lucien Favre und dem früheren Bayern-Verteidiger Dante, Partizan Belgrad und dem tschechischen Pokalsieger FC Slovacko interessant. Dann wird man wieder merken, wie elektrisierend für den Fußball-Enthusiasten Baumgart der Europacup ist. Als Profi war Baumgart nur eine Halbzeit im Alter von 18 Jahren mit Schwerin vergönnt. Nun werden noch mindestens sechs Europacup-Festtage dazukommen – wenn auch für ihn nur fünf auf der Bank.

Seinen Spielern versprach er, beim Rückflug ein Auge zuzudrücken. Er könne ja nicht sagen, es sei alles erlaubt, «aber ich bin auch keiner, der in irgendeiner Form Verbote ausspricht», sagte Baumgart: «Ich würde übertreiben, wenn ich jetzt alles kontrollieren würde. Ich gehe davon aus, dass die Jungs eher weniger trinken und wissen, was gut für sie ist. Sie dürfen aber ein Bier trinken, auch zwei. Und wenn einer meint, er müsse eine rauchen, kann er eine rauchen. Die Jungs sind erwachsen. Sie werden wissen, was hilft und was nicht hilft.» Die Feier bei den Fans nach dem Sieg sei aber «reines Genießen» gewesen.

Doch die ausgelassene Block-Party nach dem Prolog in den Playoffs soll nur der Anfang gewesen sein. Nun will der FC Europa richtig rocken. Viele im Umfeld denken an die emotionale Reise von Eintracht Frankfurt im Vorjahr zum Europa-League-Sieg, auch wenn ein ähnlicher Erfolg unrealistisch scheint. Doch auch der FC ist ein Traditionsclub, der nach Europa lechzt. Es ist erst die zweite Saison in den vergangenen 30 Jahren, in denen Köln international spielt.

Die Feier vor der Kurve nach dem Spiel sei «Ekstase pur» gewesen, sagte Innenverteidiger Timo Hübers, der das 1:0 erzielt hatte (10.). Und Steffen Baumgart, da schon längst aus seinem Tribünen-Exil zurückgekehrt, ging voran.

Von Holger Schmidt, dpa
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