Daumen hoch von Rudi Völler, Victory-Zeichen sowie kesse Video-Sprüche von Thomas Müller – und vom neuen Bundestrainer ein verschmitztes Lächeln.
Die Fußball-Nationalmannschaft startete als Gute-Laune-Express in Amerika in die Amtszeit von Julian Nagelsmann mit dem ersten Trainingstag auf dem Football-Field der New England Patriots. «We are ready», posaunte Müller noch im Flieger über die sozialen Netzwerke in die Fußball-Welt. «Die Nationalmannschaft ist gut drauf», konstatierte der Bayern-Profi so laut, dass DFB-Rückkehrer Mats Hummels im Business-Class-Sitz neben ihm zusammenzuckte.
Der neue Chefcoach Nagelsmann will auch mit Sacharbeit auf dem Trainingsplatz den Grundstein für ein neues Stimmungshoch legen und startete damit gleich am ersten kompletten Arbeitstag im idyllischen Foxborough.
«Zeit, die wir haben, maximal zu nutzen»
«Wir haben nicht die kompletten sechs Trainingstage, an denen wir voll belasten können. Aber natürlich versuchen wir schon, die Zeit, die wir haben, maximal zu nutzen», sagte der 36-Jährige. Der US-Masterplan ist jedenfalls eindeutig: «Natürlich versuchen wir schnellstmöglich, Inhalte rüberzubringen, mal die erste Grundstruktur zu schaffen.» Schon am Samstag (21.00 Uhr/RTL) sollen die Fans vor den Fernsehern in Deutschland erfolgreichen Fußball Marke Nagelsmann erleben.
Renaissance, also Wiedergeburt. Treffender könnte der Name des Teamhotels in Foxborough nicht lauten im Schatten des Stadion-Betonklotzes der New England Patriots, die in der National Football League nach vier teilweise demütigenden Niederlagen eine ähnliche veritable Krise durchleben wie die Nationalmannschaft unter Ex-Bundestrainer Hansi Flick.
Wie man mit Krisen umgeht, könnte Nagelsmann also trefflich mit Patriots-Headcoach Bill Belichick besprechen, sofern sich die Wege von amerikanischer Trainer-Legende und deutschem Bundestrainer-Neuling auf dem riesigen Areal des NFL-Teams südlich von Boston kreuzen.
Nagelsmann will Stabilität
Die «erste Struktur», die Nagelsmann der Nationalmannschaft geben will, ist es, wieder «stabil zu werden». Auch dafür hat er Abwehr-Routinier Hummels nach zwei Jahren Nichtbeachtung durch Flick reaktiviert. Die fast schon hymnische Preisung des 34 Jahre alten Dortmunder Innenverteidigers als geborener Anführer durch den neuen DFB-Chefcoach allein wird dafür allerdings auch nicht reichen. Es gibt viele Baustellen, deren ist sich auch Nagelsmann bewusst. Routine ist ein Rezept. Zwölf der 26 Spieler im Kader sind 30 Jahre oder älter und damit praktisch Teil der Generation des mit 36 Jahren nur unwesentlich älteren Bundestrainers.
Sein Spielsystem möchte der vorab nicht preisgeben. «Wenn ich alles beschreibe, ist das zu leicht für euch», kokettierte er nach entsprechenden Journalisten-Fragen. Erste Antworten wird er nach der Weiterreise nach Hartford im ersten Teil des Testspiel-Doppelpacks gegen den Gastgeber USA geben müssen.
Bierhoff unter den Zuschauern
Unter den Zuschauern wird dann nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur auch Oliver Bierhoff sein – rund zehn Monate nach seinem Aus als DFB-Geschäftsführer nach dem WM-Debakel in Katar. Bierhoff landete am Montag wenige Stunden nach dem DFB-Tross in Amerika.
Viele Fragen stellen sich zum Nagelsmann-Start, taktische und personelle. Dauerhafte Rückkehr zum 4-2-3-1-System als verlässliche Taktik-Komponente? Oder doch die eigentlich präferierte Dreierkette hinten? Wie umgehen mit Joshua Kimmich? Wo hilft der Vertraute aus Münchner Tagen? Auf der bevorzugen Sechser-Postion oder doch hinten rechts? Ist Platz für Kimmich, Kapitän Ilkay Gündogan und Leon Goretzka als weiterer Bayern-Spezl in Nagelsmanns Startelf? Bei der Lösung der letzten Frage machte schon Flick entscheidende Fehler, als er es allen recht machen wollte – auch und gerade bei der vermasselten Katar-WM. Auch damit wird sich Nagelsmann beschäftigen müssen.
Oder sind Systemfragen generell überschätzt? «Es ist wichtig, dass wir uns über die Art und Weise, wie wir spielen, definieren. Das versuchen wir, jetzt gleich in den USA umzusetzen», sagte Nagelsmann. Es geht am Anfang eben auch um Atmosphärisches. Dafür sei «so eine Art Trainingslager im Ausland immer gut, weil man im positiven Fall aufeinanderhängt und Zeit hat, miteinander zu sprechen, Zeit hat, sich kennenzulernen», sagte Nagelsmann.