Plausch mit den Routiniers: DFB-Coach Stefan Kuntz (l-r) mit Maximilian Arnold und Max Kruse. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Arne Dedert/dpa)

Sich mit anderen deutschen Athleten austauschen, gemeinsam in der großen Mensa essen und die Häuser der anderen Nationen bestaunen.

Die deutschen Fußballer durften bei ihrem Besuch im olympischen Dorf am Dienstag erstmals so richtig Olympia-Luft schnuppern. «Es war faszinierend», sagte Max Kruse nach dem Mannschaftstraining.

Besonders spannend war es laut Trainer Stefan Kuntz, andere Sportler zu treffen. «Dann kommt ein Athlet, der ist 1,50 Meter, dann kommt ein Athlet, der ist 2,10 Meter, und du denkst „Boah, was könnte der denn so machen?“», sagte der Trainer begeistert. Seine Jungs hätten dann immer versucht, auf der Akkreditierung die Namen der anderen Athleten zu erkennen. «Da habe ich gesehen, wie die Augen geleuchtet haben», berichtete der 58-Jährige. Jetzt wisse sein Team, dass es wirklich bei Olympia sei.

Aktuell noch außerhalb beherbergt

Aktuell wohnt die DFB-Auswahl noch etwas außerhalb, südlich von Tokio in Yokohama. Nach der überstandenen Gruppenphase könnte im Viertelfinale oder im Halbfinale der Einzug ins olympische Dorf anstehen. «Ich glaube persönlich nicht, dass irgendjemand noch eine Motivationsspritze nötig hat, aber trotzdem war es nochmal dieses gewisse Etwas», sagte Kruse über den Kurzausflug. «Als Einheit auftreten», forderte der Union-Spieler. Dann sei vieles möglich bei Olympia.

Wenn jemand weiß, aus scheinbar bunt zusammengewürfelten Männern eine Einheit zu formen, dann Stefan Kuntz. Der 58-Jährige gilt als Vaterfigur des DFB-Nachwuchses, als Menschenfänger, der zu jedem seiner Schützlinge einen Draht findet. Nach zwei EM-Titeln mit der deutschen U21-Nationalmannschaft will der Coach mit der DFB-Auswahl nun den nächsten Titel holen – olympisches Gold in Tokio.

Titel lassen Kritiker verstummen

Eigentlich hatte Kuntz nach Stationen beim Karlsruher SC, Waldhof Mannheim oder LR Ahlen beschlossen, die Trainerkarriere zu beenden – das ist mittlerweile über 15 Jahren her. Und auch 2016 traute ihm als Nachfolger von Horst Hrubesch kaum jemand zu, sich lange als Coach der U21 zu halten. Fünf Jahre später sind die Kritiker verstummt. Denn nach dem EM-Titel mit der U21 im Juni könnte Olympia der zweite große Erfolg für den 58-Jährigen in diesem Jahr werden.

Die Umstände für den ersehnten Titel scheinen aber alles andere als ideal. Nach zahlreichen Absagen konnte Kuntz nur mit 15 Feldspielern und drei Torhütern nach Japan reisen – erlaubt ist ein Kader von 22 Spielern.

Hinzu kommt die geringe Vorbereitungszeit: Rund eine Woche hat die DFB-Auswahl, um sich als Team einzuschwören – und um sich auf den ersten Gruppengegner Brasilien am 22. Juli vorzubereiten (13.30 Uhr MESZ/ARD und Eurosport). Doch dass Kuntz in wenigen Tagen eine Einheit formen kann, hat er schon bewiesen.

«Teamgeist ist die Basis»

Sein Geheimrezept: den richtigen Ton treffen. Eine Mischung zwischen Spaß und Ernst, zwischen strengem Trainer und Kumpel, dem sich die Spieler anvertrauen können. «Sein Verhältnis zu jedem einzelnen ist super», bestätigte Kruse. «Teamgeist ist die Basis», sagte Kuntz.

Diese Basis scheint bei der deutschen Mannschaft bereits gelegt zu sein – den Anschein machte es zumindest bei der Olympia-Generalprobe gegen Honduras. Nachdem Hertha BSC-Spieler Jordan Torunarigha rassistisch beleidigt worden sein soll, gingen die Spieler beim Stand von 1:1 geschlossen vom Platz – als Einheit. «Das ist aus der Mannschaft entstanden», sagte Kuntz und lobte den «guten Teamgeist».

Und auch sonst wirkt die deutsche Auswahl nach nur wenigen Tagen wie eine zusammengeschweißte Truppe – egal ob beim Fußball-Tennis im Hotel oder beim Spaziergang durch das olympische Dorf. Selbst beim anschließenden Training blieb trotz harter Einheiten bei sengender Hitze Zeit für Scherze und Rangeleien.

Inwieweit die Truppe um Kruse und Maximilian Arnold auch spielerisch zusammengewachsen ist, wird sich am Donnerstag zeigen – bei der Neuauflage des Olympia-Finals von Rio. Und klar ist laut Kuntz auch: «So ein Sieg trägt natürlich zum Teamgeist am meisten bei.»

Von Jordan Raza, dpa
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