Mit dem Unentschieden gegen den VfL Bochum stieg Hertha BSC am Samstag in die 2. Bundesliga ab. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Soeren Stache/dpa)

Den siebten Bundesliga-Abstieg von Hertha BSC deutete Pal Dardai flugs in eine Chance zum Aufbruch um. Trotz drängender Fragen wie nach der Lizenz fand die Club-Ikone kurz nach dem Schock schon seinen Optimismus wieder.

«Wir haben super Fans, eine super Stadt, ein super Gelände. Hier lohnt es sich zu arbeiten. Ich sage das Wort noch mal: arbeiten», sagte der Trainer der Berliner nach dem K.o. in letzter Sekunde beim 1:1 gegen den VfL Bochum. «Es ist hart, aber du musst es abhaken. Klar, heute und morgen ist es richtig scheiße», sagte der Ungar, dem diesmal die Rettungsmission misslang und die Belohnungs-Zigarre im Garten verwehrt blieb. Am Ende des Big-City-Größenwahns steht der Absturz.

Mit Dardai in die Zukunft?

An Arbeit mangelt es den Verantwortlichen nicht in den kommenden Wochen. Angefangen bei Dardais Position selbst. Dass der 47-Jährige dem Club, für den er seit mehr als 25 Jahren fast ununterbrochen tätig ist, erhalten bleibt, ist klar. Doch auch als Cheftrainer oder wieder in der Jugendarbeit? «Erstmal werde ich bestimmt eine schriftliche Analyse abgeben, wie ich das sehe. Ich kenne mich, ich bin immer ehrlich. Dann werden wir sehen, wenn sie das lesen, wie sie das sehen», sagte er. Nach der Saison soll es ein Gespräch mit Dardai geben.

Sein Verbleib als Trainer des Teams in der zweiten Liga gilt aber als wahrscheinlich. Von Umfeld und Fans wird er geschätzt. Den ausgerufenen Berliner Weg – sparsam, bodenständiger und mit Fokus auf die eigene Jugend – kann er glaubhaft verkörpern. «Du musst schon jetzt für die Zukunft arbeiten. Wie kommst du wieder in die erste Liga? Wie stabilisierst du die ganze Situation?», sagte Dardai.

Profi-Existenz steht auf dem Spiel

Noch elementarer als die Trainerfrage wird dafür aber sein, was am 7. Juni passiert. Bis zu diesem Datum hat die Hertha Zeit, Auflagen der DFL zu erfüllen. Wegen der heiklen finanziellen Lage und den Fragen des Ligaverbandes zur Konformität des Einstiegs vom neuen Investor 777 mit der 50+1-Regel ist die Lizenz für Liga zwei noch nicht sicher. Das geplante 100-Millionen-Investment der US-Amerikaner gilt dabei als überlebensnotwendig für den Club. Es würde ansonsten der Gang in die Regionalliga drohen.

Es ist ein Abstieg, der sich seit Jahren angekündigt hat. Drei Spielzeiten lang kämpfte Hertha fast ununterbrochen gegen den Absturz, nun ist immerhin dieser Dauerdruck von Club und Umfeld abgefallen. «Man muss die Fragezeichen beantworten und das Ding von unten bis oben komplett sauber machen, sodass alle wieder ins Stadion kommen und glücklich sind. Wir müssen die Probleme ausbügeln und dann wieder angreifen», sagte der gebürtige Berliner Kevin-Prince Boateng bei Sky.

Der 36-Jährige, ein Kind der Hertha-Jugend, hatte nach seinem letzten Spiel im Olympiastadion Tränen in den Augen und lief fassungslos über den Rasen. «Ich kann es noch nicht realisieren. Es ist einfach nur traurig, aber ich liebe den Verein trotzdem», sagte Boateng, der seine Karriere im Sommer beendet. Als Kapitän hatte er die Mannschaft angeführt, noch einmal all die Klasse und den Kampfgeist eingebracht, die im Tank war – am Ende vergeblich.

Windhorsts Trümmefeld-Vermächtnis

Auch wenn der Abstieg nicht überraschend ist, erstaunlich bleibt er. Vor weniger als vier Jahren begann bei Hertha das größte Einzel-Investment der Bundesliga-Geschichte. Mehr als 370 Millionen Euro steckte Lars Windhorst in den Club. Das Geld ist weg. «Da wurden 250 Millionen Euro in vier Jahren verbrannt», sagte Präsident Kay Bernstein zuletzt auf der Mitgliederversammlung über das Gebaren vor seiner Amtszeit.

Statt des Aufstiegs in luftigere Sphären ging es sportlich immer weiter bergab. Dazu belastet die damalige Transferoffensive noch heute das Personal-Budget.

Die neuen Verantwortlichen um Bernstein und Weber müssen diese Altlasten nun ausbaden. Die Lizenzfrage erschwert die Planung, zudem beginnt die Saison in der 2. Bundesliga schon Ende Juli. Ein Umbruch im Kader ist unvermeidlich. «Mit dem heutigen Tag geht nicht nur Planung, sondern auch die Umsetzung los, die wir in den letzten Tagen und Wochen bereits vorbereitet haben», sagte Weber in der Sport1-Sendung «Doppelpass».

Mission Wiederaufbau

Mit Mitgliedern, Fans und jungen Spielern will Hertha den Weg angehen, hatte er Samstag gesagt. Auch erfahrene Spieler wird es brauchen. «Der Mix ist wichtig», sagte Weber. Die Zeiten, in denen ermüdete Traditionsclubs die zweite Liga fast automatisch als nur einjährige Besinnungskur nutzen konnten, sind lange vorbei. Das zeigt unter anderem der Blick auf den ehemaligen Bundesliga-Dino Hamburger SV.

Immerhin die Unterstützung der Fans war im Berliner Westend in dieser Spielzeit erstklassig. Es gab einen Zuschauerrekord, auch bei den Mitgliedern stetigen Zuwachs. Wohl auch dank des fannahen Präsidenten Bernstein. «Diese Kraft müssen wir aufsaugen, die müssen wir kanalisieren», sagte Weber.

David Langenbein, Jens Marx und Thomas Flehmer, dpa
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