Gladbach-Fans zeigen ein Banner mit der Aufschrift «Ein Hurensohnverein stellt nur Hurensöhne ein!». (Urheber/Quelle/Verbreiter: Federico Gambarini/dpa)

Max Eberl war 23 Jahre lang Profi, Jugendfunktionär, Manager, Sport-Geschäftsführer und Liebling der Massen bei Borussia Mönchengladbach. Wenige Monate nach dem tränenreichen Abschied von dem, was nach Eberls eigenen Worten sein «Leben» war, gibt es von einem Großteil des Umfelds dennoch keinen Applaus.

Im Gegenteil. Von Teilen der Borussen-Fans bekommt der 48-Jährige nun wüste Beschimpfungen, Beleidigungen und teilweise gar Hass entgegen geschleudert. Grund dafür ist Eberls bevorstehender Wechsel zu Pokalsieger RB Leipzig, der mit 0:3 (0:2) im Borussia-Park unterging und damit noch gut bedient war.

Spiel wird zur Nebensache

Doch das beste Saisonspiel der Borussia geriet in der öffentlichen Wahrnehmung fast zur Nebensache. Die Sachsen, die in den Augen vieler Fans den Inbegriff des verachtenswerten modernen Fußballs darstellen – diese Meinung vertrat Eberl als Gladbach-Sportchef übrigens teilweise selbst – bekamen die ganze Wucht eines Traditionsclubs zu spüren. Die Borussen-Profis profitierten womöglich von der emotional aufgeladenen Stimmung, doch bei der Fan-Wut wurden Grenzen überschritten. Auf Plakaten in Gossensprache wurde Eberl unter anderem als «charakterloses Arschloch» gescholten – was angesichts heftigerer Beleidigungen noch harmlos war.

«Wenn du bei einem Traditionsverein bist und da eine hohe Emotionalität ist, dann überspitzt du manchmal Dinge und schießt dann manchmal in einer Art und Weise über ein gewisses Maß hinaus, was nicht okay ist», sagte Gladbachs aktueller Trainer Daniel Farke dazu.

Auch Beleidigungen gegen Rose

Auch sein Vor-Vorgänger Marco Rose musste sich als neuer RB-Coach heftige Beleidigungen anhören. Bei ihm gehört dies freilich schon fast zur Folklore, seit er im Frühjahr 2021 entschieden hatte, zu Borussia Dortmund wechseln zu wollen. «Das alles hat ab dem Tag meiner Entscheidung jedes Maß an Sachlichkeit vermissen lassen. Deshalb muss ich das wohl so hinnehmen», sagte Rose.

Dies gilt nun auch für Eberl. Schon vor dessen Abgang im Januar, den Eberl damit begründete, erschöpft zu sein und «diesen Fußball» gerade nicht mehr ertragen zu können, soll es intern bei der Borussia wegen einiger Dinge geknallt haben. Dass dies einen langjährigen leitenden Angestellten auch ermüden kann, ist unzweifelhaft. Insofern geht die in einem Offenen Brief des Gladbacher Fanprojekts vor dem Spiel am Samstag geäußerte polemische Kritik an Eberls bevorstehenden Wechsel nach Leipzig zu weit. Die darin vorgeworfene «Inszenierung» seiner tränenreiche Pressekonferenz ist ohnehin spekulativ.

Kritik – auch heftiger Art – an Eberls Einstieg bei RB, der nach Aussage von Leipzigs Geschäftsführer Oliver Mintzlaff und Gladbachs Sportchef Roland Virkus kurz bevorsteht, überrascht dagegen kaum. In seiner Zeit am Niederrhein bediente Eberl stets die Fanseele des Traditionsclubs auch mit Ablehnung des RB-Konstrukts, zu dem er nun wechseln möchte. Die Beleidigungen aus dem Fanblock waren dann aber auch einigen Borussen etwas peinlich.

Kramer sauer auf Fans

«Ich finde es eine absolute Sauerei. Das gehört sich nicht», schimpfte Gladbachs Mittelfeldspieler Christoph Kramer. «Ich finde das Konstrukt RB jetzt auch wenig romantisch. Aber Hass hat auf dem Sportplatz, in unserem Verein, in der Welt, in der wir leben, nichts verloren.» Laut Schiedsrichter Patrick Ittrich bestand gar die Gefahr eines Spielabbruchs. Ein besonders beleidigendes Plakat wurde nach einer Durchsage des Stadionsprechers aber schnell entfernt. Erst nach dem Spiel arbeitete sich die Kurve dann wieder an Leipzig, Rose und Eberl ab.

«Ich habe niemals Angst gehabt, dass dieses Spiel abgebrochen wird. Ich habe Borussia Mönchengladbach in den letzten drei Monaten als Verein voller Stil und voller Klasse kennen gelernt. Ich habe auch unsere Fans immer so kennengelernt», sagte Gladbach-Coach Farke.

Unter ihm besinnt sich der Club gerade wieder auf das Spiel, das Eberl irgendwann nicht mehr genug war. Mit Rose und dessen Pressing-Stil und Umschaltspiel dachte dieser, mit Gladbach um Titel mitspielen zu können. Dies war wohl der Anfang einer Entfremdung zwischen ihm und dem Club sowie seinen Fans, die nun relativ unschön eskaliert. Möglicherweise ist auch Eberl froh, wenn er bald endgültig aus seinem Vertrag in Mönchengladbach entlassen wird und der Wechsel nach Leipzig und die erneute Zusammenarbeit mit Rose besiegelt ist.

Von Carsten Lappe, dpa
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