Julian Nagelsmann befindet sich aktuell in häuslicher Quarantäne. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Sven Hoppe/dpa)

Beim kniffligen Aufstellungspoker für den großen Pokalkampf im gefürchteten Borussia-Park legte Julian Nagelsmann nur bei sich selbst die Karten frühzeitig auf den Tisch.

«Ich bin leider nicht in Gladbach dabei», berichtete der Trainer des FC Bayern München am Dienstag aus der häuslichen Quarantäne. Das erhoffte Freitesten als vollständig geimpfter Mensch funktionierte nicht so frühzeitig, wie von ihm erhofft. Die Viruslast in seinem Körper sei noch zu hoch.

Nagelsmann wird also weiter von Spiel zu Spiel hoffen müssen. «Wenn der Virus noch Bock hat, zwei Wochen (im Körper) drinzubleiben, dann werde ich hier noch länger hängen», sagte der 34-Jährige, der seine Situation als Homeoffice-Coach aber als «Jammern auf hohem Niveau» bezeichnete. Zumal es bei den zwei tollen 4:0-Siegen gegen Benfica Lissabon und die TSG 1899 Hoffenheim ja auch ohne den Chef am Spielfeldrand top funktionierte. «Ich bin froh, dass es bisher so gut läuft und die Jungs marschieren. Sonst würde es mir sehr schwer fallen.»

Kommandostand in der heimischen Küche

Nagelsmann arbeitet ja nicht weniger als sonst – nur anders. Von seinem Kommandostand in der heimischen Küche aus steuert er trotzdem die gesamte Spielvorbereitung. Seine Ideen und Direktiven wird im Stadion erneut sein Assistent Dino Toppmöller in die Tat umsetzen. «Das macht für uns keinen Unterschied. Ich konzentriere mich nicht auf den gegnerischen Trainer», sagte Gladbachs Coach Adi Hütter.

Nagelsmann spricht von der schwerstmöglichen Aufgabe in Gladbach, wo die Bayern in der Liga zuletzt mehrfach strauchelten und auch zum Saisonstart nicht über ein 1:1 hinauskamen. Im Pokal dagegen schied der Rekordsieger in bislang sechs Vergleichen nie gegen den Uralt-Rivalen aus. Für Borussias Sportdirektor Max Eberl zählt das nicht. «Es gibt immer ein erstes Mal. Wir haben zuletzt gegen die Bayern oft gut ausgesehen.»

Nagelsmann-Fußball begeistert Hoeneß

Das Münchner Selbstvertrauen ist gerade extrem groß. Ehrenpräsident Uli Hoeneß freut sich auf einen weiteren Gala-Abend. Der 69-Jährige ist begeistert vom «traumwandlerischen» Fußball à la Nagelsmann. Auf der Tribüne kam er sich bei den letzten Siegen «wie in Hollywood» vor. «Wie wir Fußball spielen, ist ein Traum. Man sitzt ja da oben und denkt, das darf ja gar nicht wahr sein», schwärmte Hoeneß.

Auch Hütter zeigt sich beeindruckt: «Bayern ist auf einem anderen Niveau als zu Saisonbeginn. Sie sind wieder eine der besten Mannschaft, nicht nur in Europa, sondern weltweit. Bayern ist das Nonplusultra, das es zu bekämpfen gilt», sagte der Österreicher. «In einem K.o.-Spiel kann alles passieren», mahnte dennoch Bayerns Sportvorstand Hasan Salihamidzic. Zur Erinnerung: In der vergangenen Saison strauchelten die Münchner in der zweiten Runde im Schneetreiben beim Zweitligisten Holstein Kiel.

Nicht auf dem Tritt zu bringen

Momentan aber scheint das ewig titel-, sieg- und torhungrige Bayern-Ensemble nichts aus dem Tritt bringen zu können. Der Trainer in Corona-Isolation – egal. Die Impfdebatte um Joshua Kimmich scheint weder ihn selbst noch seine Teamkollegen besonders abzulenken. Und auch Lucas Hernández erledigt seinen Job einfach weiter so, als wenn es die weiterhin drohende Haftstrafe in Spanien gar nicht gäbe.

«Ich habe nicht den Eindruck, dass es ihn belastet», sagte Nagelsmann zum französischen Weltmeister Hernández, der sich ebenso wie Leon Goretzka und Alphonso Davies einsatzfähig für den DFB-Pokal meldete. «Wir haben volle Hütte», vermeldete Nagelsmann zum Personal. Bei der Aufstellung hat er die freie Auswahl und kann munter pokern. Volle Hütte gibt es auch im Borussia-Park, wo 48.500 Zuschauer erwartet werden und Stürmer Marcus Thuram ein Comeback bei den Gladbachern feiern könnte.

Auch um die mentale Verfassung von Kimmich, um den eine heftige Impfdebatte tobt, sorgt sich der Trainer nicht. Im Training trat Vielspieler Kimmich kürzer, aber das galt als Belastungssteuerung. Nagelsmann würde sich zwar wünschen, wenn in das Impf-Thema um Kimmich «für alle wieder ein bisschen Ruhe reinkommt.» Er bleibt aber ansonsten bei seiner bisherigen Linie. Der Trainer plädiert angesichts der eigenen Corona-Infektion weiter fürs Impfen, wirbt aber zugleich für Kimmich, der noch Bedenken gegen den Piks hat.

«Ich habe meine Meinung gesagt zum Thema Impfen. Ich merke ja selbst, wie ein Symptomverlauf ist, wenn man geimpft ist. Und ich weiß aus gewissen Klinikkreisen, wie es andersrum sein kann, wenn man nicht geimpft ist», sagte Nagelsmann zum Aufregerthema Kimmich. Impfen bleibe dennoch «ein persönliches Thema. Und jeder darf das für sich entscheiden als erwachsener Mensch», argumentierte Nagelsmann.

Von Klaus Bergmann und Morten Ritter, dpa
Folge uns

Von