Dortmunds Trainer Edin Terzic jubelt nach dem Spiel gegen Eintracht Frankfurt. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Bernd Thissen/dpa)

Selbst der Platz an der Tabellenspitze lockte Edin Terzic nicht aus der Reserve. Die stimmungsvolle Party vor der bebenden Gelben Wand im Anschluss an die 4:0-Gala über Eintracht Frankfurt überließ der Dortmunder Trainer seinen Profis – ungeachtet der Terzic-Sprechchöre der Fans.

Obwohl seine noch vor einer Woche nach dem peinlichen 3:3 von Stuttgart verspottete Mannschaft diesmal die Gunst der Stunde nutzte und am taumelnden Rekordmeister aus München vorbeizog, wirkte der Coach nicht wirklich euphorisiert.

«Ich bin heute sehr zufrieden, aber noch immer nicht glücklich», kommentierte der 40-Jährige erstaunlich reserviert. Der rapide Stimmungsumschwung schien ihm nicht ganz geheuer: «Ich will nicht zu viel Lob hören. Wir sind noch lange nicht fertig.»

Stimmung wie in Titeljahren

Anders als der Trainer genossen Fans und Profis die Magie des Augenblicks. Schon während der nach Toren von Jude Bellingham (19.), Donyell Malen (24./66.) und Mats Hummels (41.) früh entschiedenen Partie herrschte eine Stimmung wie in seligen Titeljahren unter Trainer Jürgen Klopp. Schließlich führt der BVB erstmals seit seiner letzten Meister-Saison 2012 am Ende eines 29. Spieltages wieder die Tabelle an. Mit leuchtenden Augen kehrte Torhüter Gregor Kobel von der minutenlangen Jubelorgie vor der Südtribüne im Beisein mehrerer Spielerkinder in die Kabine zurück: «Dass wir nun auf Platz eins sind und alles in eigener Hand haben, ist ein überragendes Gefühl. Das macht uns stolz.»

Nicht nur die deutliche teaminterne Aussprache nach der desolaten Leistung von Stuttgart, wo die Borussia gegen dezimierte Schwaben eine 2:0-Führung verspielt hatte, zeigte positive Wirkung. Möglicherweise trug auch das ungewohnt mutige Bekenntnis von Sportdirektor Sebastian Kehl und Trainer Terzic unter der Woche, Meister werden zu wollen, zu einer anderen Körpersprache der Profis bei. Aus Demut wurde Mut, aus Zurückhaltung Entschlossenheit.

So wurde der Druck, wenige Stunden nach dem 1:3 der Bayern in Mainz liefern zu müssen, locker gemeistert. «Ansonsten wäre man wieder in eine komische Rechtfertigungssituation gekommen. Deshalb ist das Team sehr erleichtert. Jetzt werden die Geschichten über diese Mannschaft anders geschrieben», kommentierte Kehl.

Mit Siegen in den abschließenden fünf Partien gegen Bochum (A), Wolfsburg (H), Mönchengladbach (H), Augsburg (A) und Mainz (H) könnte der BVB den Bundesliga-Alleinherrscher FC Bayern nach dessen zehnjähriger Regentschaft sicher vom Thron stoßen. Viel wird davon abhängen, wie der einstmalige Jäger aus Dortmund mit der Rolle des Gejagten klarkommt. «Das Restprogramm kann noch Stolpersteine zulassen», warnte Kehl.

Form steigt rechtzeitig an

Die ansteigende Form der Flügelflitzer Malen und Karim Adeyemi könnte zum erträumten Happy End beitragen. Rechtzeitig vor dem großen Showdown im Fernduell mit den Münchnern spielen die beiden schnellen Angreifer groß auf. Vor allem der im Sommer 2021 verpflichtete Niederländer Malen ruft endlich das ihm nachgesagte große Talent ab. Mit sechs Treffern in den vergangenen fünf Spielen verdrängte er selbst BVB-Kapitän Marco Reus aus der Startelf. Trainer Terzic attestierte dem 24-Jährigen ein «herausragendes Spiel – wahrscheinlich sein bestes im BVB-Trikot».

Auch Kehl war voll des Lobes: «Es war klar, dass er unglaubliche Fähigkeiten hat. Er hat lange dafür gearbeitet und beschert sich jetzt die Erfolgserlebnisse selbst. Er ist ein bereicherndes Element, das war die Idee hinter seiner Verpflichtung.»

Ähnliche Freude bereitete Malens kongenialen Sturmpartner Adeyemi. Mit beherzten Sprints riss er wieder und wieder Lücken in die Eintracht-Abwehr und schlüpfte so auch ohne Treffer in die Rolle eines Hauptdarstellers. «Heute war jeder für jeden da», befand der Nationalspieler. Die Steilvorlage der Bayern in Mainz trug nach seiner Einschätzung gehörig dazu bei, dass der BVB zurück auf Kurs fand: «So schnell geht es im Fußball. Marco Reus hat mir schon im Bus gesagt, dass das Stadion heute ausrasten wird. Für mich ist es jedes Mal ein Gänsehaut-Moment. Heute war es richtig krass. Das ist das beste Stadion der Welt.»

Adeyemi selbstbewusst

Das gewachsene Selbstvertrauen des 21-Jährigen war nicht nur auf dem Rasen offenkundig. «Unser erstes Ziel war es, Deutscher Meister zu werden. Da sind wir auf gutem Weg», tönte Adeyemi nach der Partie.

Bei aller Freude über die nun prächtige Ausgangslage im Titelkampf hielt Kehl die forsche Frage eines Sky-Reportes nach der Höhe der Meisterprämie allerdings für entschieden verfrüht. Die leidigen Erfahrungen der vergangenen Monate mit diversen Rückschlägen veranlassten den Sportdirektor zur Zurückhaltung. «Dann würden wir uns großzügig zeigen», antwortete er diplomatisch.

Heinz Büse und Holger Schmidt, dpa
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